Meno-Pause: Ist es nicht schlauer, als Frau lebenslang Östrogen einzunehmen?
Osteoporose, Herzinfarkt und Scheidentrockenheit: Schuld daran ist das fehlende Östrogen nach den Wechseljahren. Ist es dann nicht sinnvoll, Östrogen einzunehmen? Durchaus eine Option, sagt Andrea, aber nicht für jede Frau.
Osteoporose, Herzinfarkt und Scheidentrockenheit: Schuld daran ist das fehlende Östrogen nach den Wechseljahren. Ist es dann nicht sinnvoll, Östrogen einzunehmen? Durchaus eine Option, sagt Andrea, aber nicht für jede Frau.
Vor Kurzem haben wir über das steigende Herzinfarktrisiko bei Frauen nach den Wechseljahren gesprochen. Der Grund dafür ist der abfallende Östrogenspiegel. Der Körper stellt mit dem Ende der fruchtbaren Phase auch die Produktion des Hormons ein, wie mir Andrea erklärt hat. Doch Östrogen ist nicht nur für unsere Reproduktionsfähigkeit zuständig, sondern schützt sowohl unsere Knochen, als auch unsere Gefäße und beugt somit Osteoporose und Herzinfarkten vor. Dieser Schutz fällt nun weg. Warum nehmen wir Östrogen dann nicht einfach ein?
Julia: Wenn Östrogen so wichtig ist, brauchen wir es doch nur einzunehmen, sobald die Produktion aufhört, oder?
Andrea: Das klingt total logisch, da gebe ich dir recht. In der Praxis ist das nicht ganz so eindeutig.
Julia: Aber es gibt doch die Hormonersatztherapie?
Andrea: Stimmt, aber das Wort “Ersatz” darin darf man nicht wörtlich nehmen. Die Gynäkologin Dr. Dorothee Struck, unsere Expertin im Wechseljahre-Online-Kurs der BRIGITTE Academy, sagt zum Beispiel, dass wir Frauen uns nach der Menopause nicht als Mangelwesen verstehen sollen, denen etwas Wichtiges fehlt. Männer hätten schließlich niemals besonders viel Östrogen im Blut.
Julia: Stimmt, die halten sich nun wirklich nicht ihr ganzes Leben lang für mangelhaft, haha.
Andrea: Wenn die Eierstöcke die Östrogenproduktion einstellen und sich auch kein Progesteron mehr nach einem Eisprung bilden kann, geht es nicht darum, über die Hormonersatztherapie die gleiche Menge dem Körper über ein Medikament zuzuführen, sie also 1:1 zu ersetzen. Wäre auch schwierig, weil im natürlichen Zyklus die Hormonwerte nicht konstant sind, sondern einen Kurvenverlauf haben.
Julia: Worum geht es dann?
Andrea: Laut Leitlinie können Frauen, die in der Zeit der heftigen Hormonschwankungen unter Wechseljahresbeschwerden leiden, unter Umständen eine Hormontherapie bekommen, damit ihre Symptome gelindert werden. Da sprechen Expert:innen von vasomotorischen Beschwerden, also Hitzewallungen und Schweißausbrüche. Das Ziel ist also nicht unbedingt, einen Hormonmangel auszugleichen. Und in der Leitlinie steht auch, dass sie nicht präventiv eingesetzt werden soll.
Julia: Aber die Hormone fehlen doch und damit auch ihre schützende Wirkung!
Andrea: Und genau an dem Punkt teilen sich die Meinungen, es gibt da zwei Strömungen innerhalb der Gynäkologie. Die offizielle Haltung ist genau diese, dass im individuellen Einzelfall zur Linderung der akuten Beschwerden für ein paar Jahre Hormone gegeben werden. Bis das Hormonchaos der Perimenopause vorbei ist und die typischen Symptome aufhören. Etwas anderes würde die derzeitige Studienlage nicht hergeben.
Julia: Okay, das hat dann aber nichts mit einem langfristigen Schutz zu tun.
Andrea: Genau. Das ist das Argument der Gegenseite. Du hast vielleicht schon mal von der Gynäkologin Sheila de Liz gehört. Sie hält es für fahrlässig, Frauen die Hormontherapie vorzuenthalten. Sie helfe den Frauen schließlich, sich besser zu fühlen. Ihrer Meinung nach sollte die die Behandlung auch langfristig zur Prävention eingesetzt werden. Im stern hat sie zum Beispiel gesagt: “Wir brauchen die Hormone, um die Knochen zu stärken, ein gesundes Herz zu haben und nicht frühzeitig zu verblöden."
Julia: Okay, krass. Spricht denn irgendetwas dagegen?
Andrea: Wie man’s nimmt. Sie hat völlig recht, dass Frauen nicht leiden müssen, es nicht aushalten müssen, was die Wechseljahre so mit sich bringen. Dass ihnen eine gute und wirksame Behandlung zusteht. Und lange wurde die Hormontherapie förmlich verteufelt. Das ist auch nicht richtig.
Julia: Aber?
Andrea: Aber bei Frauen, bei denen Brustkrebs, Herzinfarkt oder Thrombosen in der Familie liegen, kann sich zum Beispiel das Risiko erhöhen und deshalb muss immer der individuelle Fall angeschaut werden. Dieses ‘Alle Frauen nehmen einfach Hormone und alles ist gut’ wäre zu kurz gedacht, glaube ich. Langzeitstudien gibt es dazu nämlich noch nicht. Und was das Risiko angeht, kommt es auch auf die Art an, wie man die Hormone anwendet, also über die Haut oder ob man sie schluckt.
Julia: Spannendes Thema, über die Hormontherapie würde ich gerne noch mehr wissen. Nächstes Mal, in Ordnung?
Andrea: Klar, gerne.