Einsichtnahme in Steuerakten: Eine Frage der DSGVO?

Wer würde nicht gerne wissen, was das Finanzamt im Detail über einen weiß? Das dachte sich auch ein Kläger, der seinen Steuerberater wegen schlechter Arbeit verklagte. Er suchte daher bis vor dem Bundesfinanzhof (BFH) gem. Art. 15 DSGVO nach Einsicht in seine Steuerakte. Ob das von Erfolg gekrönt war, wird in diesem Beitrag erläutert. Warum […]

Feb 5, 2025 - 14:19
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Einsichtnahme in Steuerakten: Eine Frage der DSGVO?

Wer würde nicht gerne wissen, was das Finanzamt im Detail über einen weiß? Das dachte sich auch ein Kläger, der seinen Steuerberater wegen schlechter Arbeit verklagte. Er suchte daher bis vor dem Bundesfinanzhof (BFH) gem. Art. 15 DSGVO nach Einsicht in seine Steuerakte. Ob das von Erfolg gekrönt war, wird in diesem Beitrag erläutert.

Warum wurde Einsichtnahme in die Steuerakte beantragt?

Das Finanzamt hatte gegen den Kläger eine Einkommensteuer für das Jahr 2015 festgesetzt. Nachdem der Bescheid bestandskräftig geworden war, beantragte der Kläger nach Art. 15 DSGVO Einsicht in die Einkommensteuerakte. Der Kläger machte geltend, der Steuerberater habe nicht ausreichend über das Besteuerungsverfahren informiert. Es wurde daher beabsichtigt, Schadensersatzansprüche gegen diesen geltend zu machen. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab. Die Abgabenordnung (AO) sehe kein Recht auf Akteneinsicht vor. Das Finanzamt (FA) sei nicht verpflichtet, zur Durchsetzung der Rechte der Kläger Akteneinsicht zu gewähren. Nach Erweiterung der Klage auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO, welche personenbezogenen Daten das Finanzamt für das Jahr 2015 verarbeitet habe, kam der Fall zum BFH.

Hat der BFH Einsichtnahme in die Steuerakte gewährt?

Auch der BFH wies das Einsichtsgesuch ab, sprach aber den Auskunftsanspruch zu.

Zwar kein Recht auf Akteneinsicht in die Steuerakte

Anders als im allgemeinen Verwaltungsrecht kenne die AO keinen Anspruch auf Akteneinsicht. Allerdings habe der Beteiligte, der während des Besteuerungsverfahrens Akteneinsicht begehre, einen Anspruch darauf, dass über seinen Antrag nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden werde. Bei Anträgen, die erst nach Abschluss des Verfahrens gestellt werden, bestehe ein solcher Anspruch hingegen nicht. Der Betroffene sei dann nicht mehr Beteiligter des Besteuerungsverfahrens, der einen Anspruch auf Akteneinsicht nach Ermessen habe. Das träfe auch auf den somit präkludierten Kläger zu.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus Treu und Glauben (§ 242 BGB). Voraussetzung für einen Anspruch auf Einsicht in die Steuerakten nach Treu und Glauben sei, dass zwischen den Beteiligten ein Näheverhältnis bestehe, das zur Rücksichtnahme auf die Belange des anderen Teils verpflichte. Soweit die Einsichtnahme jedoch nicht steuerlichen Zwecken diene, bestehe ein solches Näheverhältnis nicht. Die Finanzbehörden hätten nicht die Aufgabe, Hilfe für Zwecke außerhalb des Besteuerungsverfahrens zu leisten. Der Kläger wolle durch die Einsicht in die Steuerakten herausfinden, ob er von seinem Steuerberater Schadensersatz verlangen könne. Dies sei kein dem Steuerverfahren immanenter Zweck.

Aber Anspruch auf Auskunft aus der Steuerakte

Jedoch habe der Kläger einen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO.

Im Zuge der Besteuerung für das Jahr 2015 habe die Beklagte Steuerdaten und damit personenbezogene Daten zum Kläger verarbeitet. Die DSGVO sei auch anwendbar. Der Ausschluss nach Art. 2 Abs. 2 lit. a) DSGVO greife für das Steuerverfahren nicht. Denn:

„Diese Verordnung findet keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen einer Tätigkeit, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt.“

Aus Erwägungsgrund 16 S. 1 zur DSGVO folge, dass dieser Ausschluss eng auszulegen sei und nur für den Staat existenzielle Bereiche gelte. Hierunter falle das Steuer- und Steuerverfahrensrecht nicht. Der Erwägungsgrund lautet:

„Diese Verordnung gilt nicht für Fragen des Schutzes von Grundrechten und Grundfreiheiten und des freien Verkehrs personenbezogener Daten im Zusammenhang mit Tätigkeiten, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, wie etwa die nationale Sicherheit (…).“

Ebenso sei es für den Anspruch aus Art. 15 DSGVO gleich welche Zwecke der Kläger verfolge. Anders als das Recht auf Akteneinsicht sei der Anspruch nicht rein verfahrensrechtlicher Natur.

Das Auskunftsrecht ist auch nicht gem. Art. 23 Abs. 1 lit. e) DSGVO i.V.m. § 32c Abs. 1 Nr. 1 AO oder Art. 23 Abs. 1 lit. e) DSGVO i.V.m. § 32c Abs. 1 Nr. 3 lit. a) AO ausgeschlossen. Zwar könne nach Art. 23 Abs. 1 lit. e) DSGVO das Auskunftsrecht eingeschränkt werden, dies sei hier jedoch nicht der Fall.

Die genannten Vorschriften aus der Abgabenordnung lauten:

(1) Das Recht (…) gemäß Artikel 15 der Verordnung (EU) 2016/679 besteht nicht, soweit
1. die betroffene Person (…) nach § 32b Absatz 1 oder Absatz 2 (…) nicht zu informieren ist, (…)
3 a) die personenbezogenen Daten nur deshalb gespeichert sind, weil sie auf Grund gesetzlicher Aufbewahrungsvorschriften nicht gelöscht werden dürfen (…).

§§ 32c Abs. 1 Nr. 1, 32b Abs. 1 Nr. 2 S. 1 AO greifen nicht, weil der Antragsteller Auskunft über eigene Steuerdaten begehrt und nicht über Steuerdaten Dritter, die dem Steuergeheimnis (§ 30 AO) unterliegen. Handelt der Steuerberater als Bevollmächtigter des Steuerpflichtigen, sei er kein Dritter.

Das beklagte Finanzamt treffe auch keine gesetzliche Aufbewahrungspflicht nach § 32c Abs. 1 Nr. 3 a) AO. Soweit sich das Finanzamt bei der Aufbewahrung der Steuerakten des Klägers an den für gesetzlichen Aufbewahrungspflichten orientiere, handele es sich um eine bloße Verwaltungspraxis.

Einsicht in die Steuerakte – Nein, aber Auskunft ja?

Der Fall zeigt vergleichend wie Informationsgesuche nach nationalem und europäischem Recht ausgehen können. So konnte das Finanzamt die Akteneinsicht nach der Abgabenordnung verweigern, nicht aber auf Basis der DSGVO. Diese Ansicht hat der BFH in einem Urteil vom 12.11.2024 implizit bestätigt. Dort stellt der BFH zum Verhältnis von Akteneinsicht und Auskunft dar, Auskunft sei „kein Mehr, sondern ein Aliud“.

Diese Erkenntnis gilt es nun insbesondere für mit Steuersachen befasste Berufe zu beachten.


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