Barrierefreie Websites per Gesetz: Übersicht & Anforderungen (inkl. Checkliste)

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Jan 26, 2025 - 16:09
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Barrierefreie Websites per Gesetz: Übersicht & Anforderungen (inkl. Checkliste)

Mit Inkrafttreten des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) am 28. Juni 2025 müssen Websites, Apps und andere digitale Produkte in Deutschland barrierefrei sein. Digitale Barrierefreiheit steht für den Grundsatz, dass Webseiten und Online-Dienste so gestaltet sein sollten, dass sie von allen Menschen genutzt werden können – einschließlich jener, die durch körperliche, sensorische oder kognitive Einschränkungen herausgefordert sind.

Es liegt in der Verantwortung der Betreiber, allen Menschen den Zugang zu ermöglichen. Barrierefreie Websites bieten zudem eine bessere Usability für alle Nutzer:innen und steigern dadurch bestenfalls die Conversion Rate. Abgesehen davon drohen bei Missachtung womöglich ähnliche Bußgelder wie durch die DSGVO.

Warte also nicht bis zur letzten Sekunde, um deine Website barrierefrei zu gestalten!

In diesem Artikel erfährst du alles, was wichtig ist, um heute schon aktiv zu werden – inklusive Beispielen, Tool-Tipps und einer übersichtlichen Checkliste.


Und falls du nur auf der Suche einer Checkliste bist, worauf es bei der Gestaltung barrierefreier Websites zu achten gilt, folge einfach diesem Link (es öffnet sich ein PDF-Dokument):

Checkliste downloaden

Status quo Barrierefreiheit: wo stehen wir?

Die wenigsten Websites sind barrierefrei. Zu diesem Ergebnis kam Aktion Mensch, die 78 E-Commerce-Webshops getestet und 75 % als nicht barrierefrei eingestuft haben.

Farbkontraste sind zu gering, Bilder werden nicht beschrieben, die Navigation ist nur per Maus möglich und Links sind weder visuell ansprechend noch textlich aussagekräftig.

Am 28. Juni 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft und ab dann drohen Bußgelder bei Missachtung. Ausgenommen sind lediglich Kleinstunternehmen, die weniger als 10 Angestellte beschäftigen oder weniger als 2 Mio. € Jahresumsatz erwirtschaften.

Das Gesetz tritt zwar erst in gut einem Jahr in Kraft, aber wenn wir uns erinnern, kam die DSGVO dann auch ganz plötzlich. Damals waren viele Unternehmen völlig überfordert und nicht in der Lage, die notwendigen Maßnahmen rechtzeitig umzusetzen. In Konsequenz mussten sie hohe Bußgelder bezahlen – und waren auch damit nicht frei vom Anspruch des neuen Gesetzes, sondern erhielten lediglich eine Schonfrist zur Umsetzung der geforderten Maßnahmen. Insgesamt wurden seit Inkrafttreten der DSGVO 2018 rund 76 Millionen € Strafe verhängt.

Wir befürchten einen ähnlichen Verlauf mit Inkrafttreten des BFSG, wenngleich die Höhe der Bußgelder bislang nicht absehbar ist. Die durch das Gesetz bevorteilte (genauer gesagt nicht länger benachteiligte) Bevölkerung ist zwar anteilig kleiner, betroffen sind jedoch erneut alle Betreiber von Websites, Apps und anderen digitalen Services.

Wieso scheint dieses Thema dennoch so wenig Beachtung zu finden?

Die Diskussion in unserer Community lässt auf folgende mögliche Gründe schließen:

  • Es fehlt das Verständnis dafür, was Barrierefreiheit (oder auch Accessibility) überhaupt ist.
  • Das Management erkennt die Relevanz (und zunehmende Dringlichkeit) des Themas nicht. Braucht es das wirklich? Das betrifft doch nur wenige Leute, oder? Wieso sollte ich mich jetzt damit auseinandersetzen?
  • Es gibt aktuell kein Budget und Website-Verantwortliche sind unsicher, wie sie Vorgesetzte von der Notwendigkeit barrierefreier Websites überzeugen können.
  • Verantwortliche in Unternehmen wissen nicht, wo sie anfangen sollen. Was muss ich beachten? Wo liegen gängige Probleme? Wo finde ich Unterstützung?

Accessibility-Experte Michael Düren, dessen Rat wir im Zuge dieses Beitrags hinzugezogen haben, meint außerdem:

In vielen Fällen ist es schlicht und ergreifend fehlendes Wissen. Fehlendes Wissen über das Thema an und für sich, über das in Kraft tretende Gesetz und damit die Reflexion, dass es für mich als Organisation/Unternehmen Auswirkung hat.

All diese Themen, Probleme und mögliche Maßnahmen sprechen wir in diesem Artikel an. Denn auch für uns ist es in Planung, dass dieses Thema fester Bestandteil unserer Audits wird. Und wenn danach noch Fragen offen sind, sprich uns einfach direkt an! Eine kurze Nachricht reicht und wir setzen uns zusammen.

Porträt von Michael Düren

Michael Düren ist seit 2016 Leiter des Geschäftsfelds IT und verantwortet zudem das Kompetenzzentrum „Digitale Teilhabe für Alle“ bei der in München ansässigen Stiftung Pfennigparade. Er beschreibt sich als Accessibility Advocate – jemand, der Zugänglichkeit und Barrierefreiheit fördert und den gesellschaftlichen Diskurs darüber aktiv fördert. Ferner ist er Mitglied im § 5 Ausschuss für barrierefreie Informationstechnik der BITV 2.0 und Mitglied des Beirates der IAAP D-A-CH.

Was ist Accessibility? Was bedeutet Barrierefreiheit?

„Accessibility“ oder auch „digitale Barrierefreiheit“ bedeutet, dass eine Website oder App für Menschen mit Einschränkungen zugänglich und nutzbar ist – oder gemacht wird, um es als Aufgabenfeld für Website-Verantwortliche zu formulieren.

Das BFSG betrifft auf den ersten Blick zwar „nur“ eine Randgruppe (die trotzdem nicht vernachlässigt werden darf), von Barrierefreiheit im Web profitieren aber noch viel mehr Menschen. Denn zum einen verbessert sie die Usability allgemein und zum anderen können wir alle mal für den Moment eingeschränkt sein und von den entsprechenden Anpassungen profitieren. Etwa mit Baby auf dem Arm, einer Einkaufstasche in der Hand oder in einer lauten Umgebung. Es gibt unzählige Situationen, in denen wir bei der Nutzung von Websites, Apps & Co. beeinträchtigt sind. Wer kennt es nicht, wenn die Sonne direkt aufs Display unseres Smartphones scheint und der Kontrast einfach nicht ausreicht, um die Nachricht zu entziffern …

Inklusives Design und die barrierefreie Bedienbarkeit ermöglicht es Menschen mit Beeinträchtigungen, eigenständig alltägliche Dinge zu erledigen, wie Einkaufen oder sich im Internet zu informieren. Sie sind darauf angewiesen. Nutzer:innen ohne Einschränkungen entstehen dadurch zu keiner Zeit Nachteile, Barrierefreiheit sollte daher unabhängig von Gesetzen der Standard sein.

Typische Herausforderungen für Menschen mit Einschränkungen und wie wir damit umgehen

Im Customer Insights Teams haben wir bislang auch überwiegend mit Menschen ohne Einschränkung gearbeitet, die zum Zeitpunkt eines Interviews, einer Umfrage oder Labs vor Ort nicht auf Barrierefreiheit oder entsprechende Hilfsmittel angewiesen waren. Speziell für die Recherche zu diesem Artikel haben wir aber mit einer blinden Person gesprochen, um ihre Sichtweise (kein Wortspiel beabsichtigt) besser zu verstehen. Für uns, die problemlos sehen und hören können, sind die Herausforderungen im Umgang mit Webseiten und Apps nämlich oft nur schwer vorstellbar.

Was für uns vielleicht eine völlig überladene Website mit unterschiedlichen Schriftarten und Schriftgrößen ist, ist für den Blinden das Chaos im Code.

Weil die Bedienung per Maus nicht immer möglich ist (blinde Menschen sehen ja nicht, worauf sie klicken), ist die Bedienung einer Website über die Tastatur essenziell. Der Quellcode muss entsprechend geschrieben sein.

Viele Blinde nutzen zudem Screenreader, um die Inhalte einer Seite vorlesen zu lassen. Damit das funktioniert, muss im Quellcode klar erkennbar sein, welche Inhalte zusammengehören. Für uneingeschränkt Sehende ist auf den ersten Blick nicht direkt ersichtlich, ob etwa die Überschriften – per -HTML-Tag – als solche gekennzeichnet sind oder ob das Bild, das für ein Gesamtverständnis relevant ist, eine alternative Beschreibung – einen sogenannten ≤alt>-Tag – hat. Für sie ist das aber auch weitestgehend irrelevant, sie verstehen durch Sehen.

Es gibt zahlreiche Tools, die uns als Website-Betreiber dabei unterstützen, Potenziale in puncto Barrierefreiheit zu identifizieren (dazu findest du weiter unten ein paar Tipps), wie immer gilt aber auch hier: Die wertvollsten Erkenntnisse liefert das Feedback echter Nutzer:innen mit ihren individuellen Fähigkeiten, Kenntnissen und Einschränkungen.

Warum wir Webseiten und Apps besser heute als morgen optimieren, um Barrierefreiheit zu gewährleisten

Die Angst vor Strafen sollte nicht die Hauptmotivation sein, Webseiten barrierefrei zu gestalten. Unternehmen tragen eine soziale Verantwortung, Barrieren abzubauen und Inklusion zu fördern. Barrierefreie Webseiten bedeuten eine bessere Customer Experience – und zwar nicht nur für alle, die bereits die Webseite nutzen, sondern auch für diejenigen, für die der Zugang zur Website erst durch Barrierefreiheit möglich wird.

Auch wir sehen uns in dieser sozialen Verantwortung und möchten unsere Kunden dabei unterstützen, ihre Webseiten, Apps etc. nicht nur mit Blick auf die Conversion Rate zu optimieren, sondern durch Barrierefreiheit auch einen gesellschaftsrelevanten Beitrag zu leisten. Deshalb ist das Verständnis für Nutzerbedürfnisse immer ein zentraler Bestandteil unserer Arbeit.

Aber wo fangen wir – als Betreiber von Webseiten, Onlineshops oder Apps – eigentlich am besten an?

Anforderungen an barrierefreie Websites (inkl. Beispiele, Tool-Tipps & Checkliste)

„Optimierung ist erst die zweite Stufe“, meint Michael Düren. „Zuvor müssen wir verstehen, welche Problemen existieren. Als Startpunkt hat sich ein externes Assessment bewährt, indem Experten die digitalen Kanäle / Produkte auf Gebrauchstauglichkeit (Konformität und Nutzerzentrierung) bewerten – und zu priorisieren. Nur damit kann zielgerichtet entsprechendes Budget zur Behebung von Problemen eingesetzt werden.“

Danach empfehlen wir generell, sich mit den „Web Content Accessibility Guidelines“, kurz WCAG zu beschäftigen. Hier findest du die aktuell gültigen Accessibility Standards. Als erste Orientierung dienen die folgenden vier Aspekte:

  1. Wahrnehmbarkeit: Nutzer:innen müssen mit mindestens einem ihrer Sinne in der Lage sein, die Inhalte wahrzunehmen.
  2. Bedienbarkeit: Nutzer:innen müssen in der Lage sein, die Website bedienen zu können; ob per Maus, Tastatur, Sprachbefehl oder einem anderen externen Bedienelement.
  3. Verständlichkeit: Nutzer:innen müssen in der Lage sein, durch die Website navigieren zu können. Dies setzt auch voraus, dass die Inhalte lesbar und einfach zu verstehen sind.
  4. Robustheit: Die Website und deren Inhalte sollten technischen Veränderungen standhalten und kompatibel sein, um bspw. der Nutzung mit unterschiedlichen Browsern und Assistenten wie Screenreadern standhalten zu können.

Für unterschiedliche Einschränkungen sind folgende Punkte besonders hilfreich oder sogar zwingend notwendig:

1. Starke Farbkontraste

Durch starke Kontraste stellen wir sicher, dass vor allem sehbehinderte Menschen Schrift gut lesen können.

Ein anschauliches Beispiel, wie das auch bei Marken mit vermeintlich schwachem Farbkontrast einwandfrei funktioniert, ist klarmobil.de: die Markenfarben Orange und Grün erzeugen selbst keinen ausreichend starken Kontrast (1,12:1) und sind für farbenblinde Menschen nicht zu erkennen (siehe erster Screenshot unten). Das Unternehmen gewährleistet eine gute Lesbarkeit jedoch dadurch, dass sie diese Farben bei Texten nicht miteinander, sondern ausschließlich mit Weiß bzw. Schwarz kombinieren (siehe zweiter Screenshot unten). Auf diese Weise garantieren sie einen Farbkontrast von >6:1.

Screenshot von klarmobil.de, wie Farbenblinde die Seite sehen
Für farbenblinde Menschen sind die Markenfarben von klarmobil.de nicht erkennbar.
Screenshot von klarmobil.de mit Hinweisen zu Farbkontrasten
klarmobil.de gewährleistet einen ausreichenden Farbkontrast durch gezielte Farbkombinationen: Orange und Grün werden nicht miteinander sondern ausschließlich mit Schwarz oder Weiß kombiniert.

Tool-Tipps für bessere Farbkontraste

  • WebAIM: Contrast Checker – Ein simples Tool, um den Farbkontrast zu prüfen. Mit „WAVE“ steht dir dort auch ein umfangreiches Accessibility Testing Tool zur Verfügung.
  • Adobe Color Contrast Analyzer – Ein umfangreiches Tool, um Farben und Kontraste nach verschiedenen WCAG 2.1-Standards (AA & AAA) zu prüfen und für Farbenblinde zu optimieren.
Screenshot des Adobe Color Analyzer Web-Tools
Adobes Contrast Analyzer bewertet Farbkontraste nach verschiedenen Standards und liefert Vorschläge für Farbkombinationen, die auch für sehbehinderte Menschen geeignet sind (Link: color.adobe.com)

2. Beschreibung für Bilder

Damit Maschinen – nicht nur Screenreader, sondern auch Suchmaschinen (!) – Bilder auslesen können, sollten diese über das HTML-Tag beschriftet werden.

<img src=”bild.png” alt=”Hier steht die Beschreibung des Bildes” height=”800” width=”600”>

Tool-Tipps zur Optimierung von Bildbeschreibungen

3. „Sprechende“ Links

Zahlreiche (auch eigene) Tests haben gezeigt, dass „sprechende“, also aussagekräftig formulierte Links eher geklickt werden, als durch generische Begriffe wie „Mehr“, „Weiter“ oder „Hier“ gekennzeichnete Links. Das Imperial College London präsentiert folgendes, sehr anschauliches Beispiel dafür auf ihrer Website (beachte die Links jeweils ganz unten in den Kacheln):

Ein Beispiel des Imperial College London für schlechte, weil generisch formulierte Links im Vergleich zu guten, weil spezifisch formulierten Links.
Durch sprechende Links wissen Nutzer:innen sofort, was sie nach dem Klick erwartet. Generischen Linktexten, die an verschiedenen Stellen wiederholt werden, fehlt der Kontext. (Screenshot: www.imperial.ac.uk)

Derartige Links benötigen keinen Kontext und sind auch bei der Nutzung eines Screenreaders verständlich, sie sollten allerdings unterstrichen werden, um besser und schneller als Link erkannt zu werden. Kontraste sollten bei dieser Schriftgröße zudem höher sein.

4. Navigation per Tastatur

Nicht nur sehbehinderte Menschen verlassen sich bei der Navigation einer Website auf die Tastatur; viele Nutzer:innen sind damit inzwischen schlichtweg schneller geworden als mit der Maus. Betreiber können diese Navigation gezielt durch die Verwendung des tabindex-Attributs im HTML steuern. Wie das auch mit einer entsprechenden visuellen Gestaltung (Stichwort: Fokusverfolgung) kombiniert werden kann, ist auf gov.uk zu sehen:

Dank der Fokusverfolgung ist auch für Sehende einfach nachzuvollziehen, welcher Link ausgewählt ist (Screen Recording: gov.uk)

Tool-Tipp zur Optimierung der Steuerung per Tastatur

  • Mit dem Chrome-Plug-in taba11y kannst du ganz einfach die Tabulatorreihenfolge visualisieren.

5. Logische Struktur beim Vorlesen

Der logische Aufbau einer Seite ist wichtig, damit die Wiedergaben durch Vorlesehilfen Sinn ergeben. Besonders wichtig sind dabei Überschriften, die auch als solche im Code gekennzeichnet sind.

Tool-Tipps für eine bessere Struktur

Versetz dich doch einfach mal selbst in die Situation von Nutzer:innen solcher Tools. Man nennt das auch Kundenzentrierung.