AfD-Spende: Wie die Böttcher AG auf einmal mitten im Wahlkampf landete
Ein Ex-Aufsichtsrat spendet an die AfD, das Unternehmen streitet eine Beteiligung ab. Doch die Böttcher AG hat eine umstrittene Vorgeschichte
Ein Ex-Aufsichtsrat spendet an die AfD, das Unternehmen streitet eine Beteiligung ab. Doch die Böttcher AG hat eine umstrittene Vorgeschichte
Eines möchte Udo Böttcher klarstellen: Mit der Spende habe er nichts zu tun. „Diese Spekulationen sind falsch. An dieser Spende haben die Böttcher AG und/oder ihr Vorstandsvorsitzender in keiner Weise mitgewirkt“, schreibt Böttcher in einem Statement. Den Verdacht, dass eigentlich er hinter einer Millionenspende an die in Teilen rechtsextreme AfD steckt, wird Böttcher nicht los.
Die Böttcher AG ist eigentlich ein klassischer Mittelständler. Der Groß- und Versandhändler von Bürobedarf aus Zöllnitz bei Jena entstand nach eigener Darstellung aus einem Copyshop und entwickelte sich zu einem Unternehmen, das zielstrebig auf die Umsatzmilliarde zusteuert. Eine ostdeutsche Erfolgsstory, doch nun umweht die Böttcher AG der Wind der AfD-Nähe – und das nicht zum ersten Mal. Das Unternehmen befindet sich plötzlich mitten im deutschen Wahlkampf und möglicherweise bald auch im Zentrum staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen. Wer ist die Böttcher AG?
Vom Copyshop zum Millionenumsatz
Angefangen habe alles im Jahr 1990 mit 5000 D-Mark und einem Kopierer – so heißt es auf der Website der AG – „um in der heimischen Küche für jedermann zu kopieren“. Die Böttchers aber hatten wohl Geschäftssinn: Bereits im Jahr darauf eröffneten sie in Jena einen Copyshop und 1995 schließlich einen Großhandel für Bürobedarf. Nach der Jahrtausendwende entstand die Aktiengesellschaft Büromarkt Böttcher AG – die einzigen Aktionäre sind laut Handelsregister Udo Böttcher und sein Sohn Philipp.
Fünf Lehren aus einer historischen Woche
Trotz Krise im Online-Handel sei das Unternehmen gewachsen, heißt es. In den vergangenen zehn Jahren baute die Böttcher AG eine große neue Logistikhalle und erweiterte das Sortiment, auch Rasenmäher oder Schokolade können die Kunden jetzt über Böttcher bestellen. Offenbar zahlte sich der Kurs aus: Für das Jahr 2024 berichtet das Unternehmen von einem Umsatz von mehr als 900 Mio. Euro und rund neun Millionen Kunden.
Ein erfolgreiches Jahr, obwohl die Böttcher AG Anfang Januar 2024 Schlagzeilen machte. Der Grund: Bei einer Wahlumfrage unter den Mitarbeitenden gaben 34 Prozent an, für die AfD stimmen zu wollen. Die Böttcher AG postete das Ergebnis mit den Worten „Politische Umfrage bei der Böttcher AG, fast 600 Arbeitnehmer haben ihren politischen Willen zum Ausdruck gebracht“, dahinter ein Daumen hoch. In Thüringen, wo die Böttcher AG ihren Sitz hat, stuft der Verfassungsschutz die AfD als gesichert rechtsextrem ein. Udo Böttcher schrieb daraufhin auf Linkedin, dass die Firma mit der Veröffentlichung der Umfrage kundtun wolle, „dass die Böttcher AG mit den Entscheidungen der Ampel-Regierung unzufrieden ist. Dies heißt jedoch nicht, dass alle Mitarbeiter der Böttcher AG in die rechte Ecke zu stellen sind! Die Böttcher AG und ihre Mitarbeiter distanzieren sich entschieden von Rechtsextremismus!“ Der ursprüngliche Post mit der Umfrage ist inzwischen gelöscht.
Udo Böttcher selbst hat laut Berichten des „Spiegel“ in der Vergangenheit immer wieder in sozialen Netzwerken die AfD unterstützt, insbesondere Spitzenkandidatin Alice Weidel. Inzwischen sind die Beiträge verschwunden.
Mit der Spende in Höhe von 999.990 Euro an die AfD von einem gewissen Horst Jan Winter befindet sich die Böttcher AG nun erneut im Rampenlicht. Winter war bis vor kurzem Mitglied des Aufsichtsrats des Unternehmens. Weil die Adresse, die im Register des Bundestages hinterlegt ist, aber offenbar nur ein Briefkasten und Winter nicht als vermögend bekannt war, begannen Spekulationen, ob es sich um eine illegale Strohmannspende handelt. Inzwischen prüft die Staatsanwaltschaft Mühlhausen laut „Spiegel“ Ermittlungen. Die Staatsanwaltschaft war zunächst nicht für ein Statement zu erreichen.
Tatsächlich könnte das Geld ursprünglich von Udo Böttcher stammen. Im oben beschriebenen Statement schreibt dieser, er habe Winter 2 Mio. Euro geschenkt, weil dieser schwer erkrankt sei und mit dem Geld neuartige Therapien bezahlen könne. „Ich habe nicht im Entferntesten damit gerechnet, dass er – mutmaßlich ganz oder teilweise aus dem geschenkten Betrag – eine Parteispende an die AfD bestreiten würde und hätte mir das auch nie im Leben träumen lassen“, schreibt Böttcher. Winter hätte klar sein müssen, dass die Spende dem Unternehmen Schaden zufüge. „Ich bin von ihm daher sowohl menschlich als auch kollegial tief enttäuscht.“ Winter sei mit sofortiger Wirkung als Aufsichtsrat abberufen, die knapp 1 Mio. Euro, die aus der Schenkung an die AfD gingen, habe Böttcher wegen „groben Undanks“ zurückgefordert – sollte das Geld nicht zurückgezahlt werden, werde der Unternehmer Klage erheben.
Zweckbindung müsste belegt werden
Rechtlich ist so eine Rückforderung allerdings nicht so einfach. „Ob eine Spende an eine politische Partei, die nicht verboten ist, groben Undank darstellt – da habe ich meine Zweifel“, sagt Stephan Lorenz, Professor für bürgerliches Recht an der Ludwigs-Maximilians-Universität München. Laut Bundesgerichtshof setzt „grober Undank“ nicht nur „objektiv eine Verfehlung des Beschenkten (…) voraus“, sondern auch subjektiv „Ausdruck einer Gesinnung des Beschenkten (…), die in erheblichem Maße die Dankbarkeit vermissen lässt (…)“. Dazu müssten alle relevanten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden.
Startupszene rückt nach rechts
„Einfacher wäre die Rückforderung, wenn die Schenkung wirklich mit einem Zweck verbunden wäre, so wie die medizinische Behandlung. Dann wäre eine Parteispende eine sogenannte Zweckverfehlung“, sagt Lorenz. „Wenn es wirklich zur Klage kommt, wird sich das Gericht beide Möglichkeiten genau ansehen.“ Eine solche Zweckbindung müsste allerdings belegt werden – und in seinem Statement schreibt Böttcher, er habe „keinerlei Vorgaben für die Verwendung der Schenkung gemacht“.
Übrig bleiben offene Fragen: Kam das Geld inzwischen zurück? Gab es Kontakt zwischen Udo Böttcher und Horst Jan Winter? Und wurde die Spende von der AfD zurückgefordert? Die Böttcher AG schreibt auf die Fragen und die Bitte um ein Interview von Capital, dass sie derzeit keine Stellungnahmen abgebe. AfD-Schatzmeister Carsten Hütter antwortete nicht auf eine Anfrage. Medienberichten zufolge hat Hütter sich mit dem Spender Horst Jan Winter getroffen, der „absolut begeistert von Alice Weidel“ sei und ihn gebeten habe, mit dem Geld eine bundesweite Flyer-Aktion zu machen. Der „Berliner Zeitung“ sagte Winter, dass er sich vom Extremismus distanziere und die AfD angewiesen habe, das Geld nicht an als gesichert rechtsextrem eingestufte Landesverbände weiterzuleiten.
Neue Spende an die AfD
Dennoch gibt es Zweifel, ob Udo Böttcher wirklich nichts mit der Spende zu tun hat. Aurel Eschmann, beim Verein Lobbycontrol für Parteienfinanzierung zuständig, schreibt, Böttcher verstricke sich in „Widersprüche“, weil er vor seinem Statement noch gesagt habe, die Spende komme nicht von ihm – obwohl der Zusammenhang mit seiner Schenkung bekannt war. „Auch Böttchers Aussage ‚dass ich jedenfalls mit einer solchen Parteispende keinesfalls einverstanden gewesen wäre,‘ erscheint angesichts seiner offenen und intensiven Unterstützung der Partei auf Social Media zweifelhaft, auch wenn er die entsprechenden Beiträge inzwischen gelöscht hat“, schreibt Eschmann.
Ob das Rampenlicht der Böttcher AG langfristig schadet, ist unklar. Einige Kunden, wie der Unternehmer Ronald Schmidt oder Kommunikationsberater Philipp Wöll, haben öffentlich angekündigt, die Böttcher AG künftig zu boykottieren. Am Wochenende waren in Jena auf einer Mauer die Initialen Udo Böttchers entdeckt worden, dazu die Worte „Nazi“ und „Töte“. Die AfD dagegen darf sich über noch mehr Geld freuen: Am 1. Februar nahm die Partei eine mehr als 2 Mio. Euro schwere Plakatspende an. Spender ist ein ehemaliger Parteifunktionär der österreichischen Rechtsaußenpartei FPÖ.