Verhaltensforschung: Affen mit Einfühlungsvermögen: Bonobos können sich in Menschen hineinversetzen

Schimpansen können sich in die Sichtweise anderer hineinversetzen. Ein Experiment zeigt: Sie erkennen, was ein menschliches Gegenüber weiß – und helfen mit Gesten, wenn Informationen fehlen

Feb 4, 2025 - 22:43
 0
Verhaltensforschung: Affen mit Einfühlungsvermögen: Bonobos können sich in Menschen hineinversetzen

Schimpansen können sich in die Sichtweise anderer hineinversetzen. Ein Experiment zeigt: Sie erkennen, was ein menschliches Gegenüber weiß – und helfen mit Gesten, wenn Informationen fehlen

Die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen und ihre Wahrnehmung nachzuvollziehen, gilt vielfach als typisch für den Menschen. Dass auch Bonobos dazu in der Lage sind, zeigt ein ausgeklügeltes Experiment an drei dieser Zwergschimpansen.

In den Versuchen saß jeweils eines von drei Bonobo-Männchen vor einem Tisch einem Forscher gegenüber: dem Doktoranden Luke Townrow von der Johns Hopkins University in Baltimore. Währenddessen versteckte ein anderer Mensch auf dem Tisch einen Leckerbissen, etwa eine Traube, unter einem von drei umgedrehten Bechern. Manchmal konnte Townrow diesen Vorgang sehen, andere Male war ihm die Sicht verdeckt. Danach sollte der Forscher - nach kurzer Wartezeit von zehn Sekunden - einen Becher umdrehen. War es der richtige, reichte er den Leckerbissen an den Bonobo weiter. 

kommentar tiere

Bonobos helfen mit Fingerzeigen

Konnte Townrow das Verstecken des Leckerlis beobachten, so geduldeten sich die Bonobos während der Wartezeit eher - sie gingen wohl davon aus, ihn ohnehin zu bekommen. Doch wenn der Forscher dies nicht gesehen haben konnte, zeigten die Tiere öfter und auch schneller demonstrativ auf den richtigen Becher. Sie seien sich also gleichzeitig zweier Perspektiven bewusst gewesen, betonen Townrow und sein Professor Chris Krupenye in den "Proceedings" der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften ("PNAS"): zum einen der Realität sowie zum anderen der Wahrnehmung des Forschers.

"Sie wissen genau, wo die Nahrung ist, und gleichzeitig wissen sie, dass ihrem Gegenüber durch seine Perspektive diese Information fehlt", sagt der auf Tiere spezialisierte Hirnforscher Krupenye. "Ihre Finger zeigten direkt durch das Gitter - es war eindeutig, dass sie kommunizieren wollten." Mit den Fingerzeigen, so schreiben Krupenye und Townrow, wollten sie den unwissenden Menschen auf die richtige Spur bringen.

Getestet wurden die drei Bonobo-Männchen im Alter von 13, 25 und 43 Jahren auf dem Gelände der Ape Initiative, einem Bonobo-Forschungszentrum in Des Moines im US-Bundesstaat Iowa. Offen bleibt nach Ansicht des Forscherduos allerdings eine Frage: Zeigten die Bonobos auf die Becher, um dem Forscher zu helfen, oder wollten sie damit sein Verhalten beeinflussen - und so an den Leckerbissen kommen?

Eine uralte Fähigkeit?

So oder so sei die Fähigkeit wohl schon beim gemeinsamen Vorfahren von modernen Menschen und Schimpansen vor rund sechs Millionen Jahren entwickelt gewesen, schreibt die Gruppe: "Manche der markanten kognitiven Fähigkeiten, die der einzigartigen menschlichen Koordinierung und Kooperation dienen, liegen auch im kognitiven Potenzial unserer nächsten Verwandten, und sind wahrscheinlich evolutionär alt." 

GEO+ Einer von uns: Wie Tiere denken und fühlen

Das Verhalten der Affen erinnert daran, dass wildlebende Schimpansen mitunter bei Gefahr arglose Artgenossen warnen, etwa wenn sich eine Schlange nähert. Die in Afrika heimische Gattung der Schimpansen (Pan) besteht aus zwei Arten, den Gemeinen Schimpansen (Pan troglodytes) und den kleineren Bonobos oder Zwergschimpansen (Pan paniscus). Diese leben im Gegensatz zu ihren größeren Vettern südlich des Flusses Kongo.