"Jetzt ne Erkältung, das wär's!": Was eine Psychologin dir rät, wenn du dich krank ins Bett sehnst

Mal eine Woche krank im Bett liegen – ein tabuisierter Wunsch, den doch einige gegenwärtig hegen. Was sagt das über uns aus?

Feb 4, 2025 - 23:49
 0
"Jetzt ne Erkältung, das wär's!": Was eine Psychologin dir rät, wenn du dich krank ins Bett sehnst

Mal eine Woche krank im Bett liegen – ein tabuisierter Wunsch, den doch einige gegenwärtig hegen. Was sagt das über uns aus?

Sie hustet, er beneidet sie. Ich bin mit einem Pärchen essen, von dem sich ein Teil gerade von einer Erkältung erholt. Kein seltenes Szenario in dieser Zeit. Bei ihrem nächsten Räusperer ertappe ich mich bei dem Gedanken, ob sie nicht doch noch ansteckend sei – und dass ich diese Vorstellung nicht rein furchtbar fände. Ich schiebe sie beiseite. Wer will schon krank sein. Auf dem Nachauseweg finde ich es heraus. Ihr Freund zum Beispiel. Denn er spricht aus, was ich mir im Stillen dachte: "Manchmal wünsch' ich mir, mal eine ganze Woche erkältet im Bett zu liegen. Aber ich stecke mich einfach nicht an", seine Stimme kläglich, doch beschämt. Dabei müssen mein Freund und ich zustimmen, ja, wir kennen das auch.

Eine Erkältung als Alltagsflucht?

Was ist falsch mit uns? Eine Krankheit wünscht man sich schließlich nur so lange herbei, bis man sie hat. Nach kurzer Recherche stelle ich fest, dass wir noch auf der harmlosen Seite der Sehnsucht wandeln. Der feststehende Begriff dafür ist um einiges drastischer: Hospital Fantasy nennt sich das Phänomen, bei dem sich Menschen gar ins Krankenhaus sehnen. Drei Mahlzeiten ans Bett, 24-Stunden-Rundumservice.

Was hat sich in unserer Gesellschaft verändert, dass ein Schreckens- mancherlei zum Sehnsuchtsort geworden ist? Die einfache Antwort wäre wohl: Care-Arbeit, Weltschmerz, Kriege, Arbeitszeitverdichtung, permanente Erreichbarkeit – es gibt schlichtweg immer mehr Gründe, die Decke über den Kopf zu ziehen. Meine Kollegin Katrin, Psychologin, bietet sich scherzhaft an, andere gerne stellvertretend ins Bett zu schicken. Ich nehme vorerst ein Gespräch mit ihr an.

"Dahinter steckt eigentlich ein Wunsch nach einer Verantwortungsübernahme", sagt sie. Bei der Komplexität des Alltags gibt es immer etwas, um das man sich kümmern muss – nur man selbst fällt hintenüber. In der Krankheitsfantasie wird diese Fürsorge in den Mittelpunkt gestellt: Man "muss" nichts mehr, "darf" alles. Bekommt vielleicht sogar eine Suppe ans Bett gebracht. Nimmt sich vor, nur das zu essen, schauen, tun, was sich gut anfühlt – und weil man sich das im Alltag nicht selbst erlaubt, schiebt man einem Virus die Verantwortung rüber. 

Was die Erkältungsfantasie dir sagen will: mach Pause!

Obwohl die Cold Fantasy also durch Erschöpfung und Alltagsstress logisch erklärbar ist, lohnt es sich laut Katrin, genauer hinzuschauen: "Die Krankheitsfantasie ist ein Stellvertretergedanke für 'dann habe ich endlich meine Ruhe'". Deswegen animiert sie uns zum Innehalten: Wo stehe ich gerade? Was würde mir guttun? Diese Fragen müsse man nicht alleine beantworten. Vielmehr helfe es, seine Gedanken mit anderen zu teilen: "Gefühle in den Raum zu tragen, bietet neue Möglichkeiten“, so Katrin, die da wären: Routinen aufbrechen, Stress sichtbar machen, die Unvermeidbarkeit von Dingen zu hinterfragen. Fühlen wir uns im Alltag so gefangen, dass ein Virus wie der beste Ausweg wirkt, lohnt es sich, genau hinzuschauen: Was muss von meinen To-dos gerade wirklich sein, was nicht? Im Zweifel helfe schon, die Belastung auszusprechen. Simple Sätze wie "Ich schaffe es nicht, mich auf den Termin vorzubereiten" oder "Ich bin müde, ich kann heute höchstens eine Stunde" können da Wunder wirken.

Jeder will mal auf den Arm

Prinzipiell zupft die Cold Fantasy also an unserem Rockzipfel, um uns selbst ernst zu nehmen und auf unsere eigenen Bedürfnisse zu achten. Das sei zwar ein kindlicher, aber auch ganz natürlicher Anteil, so Katrin: "Jeder will mal auf den Arm", schmunzelt sie abschließend. Das Schöne daran: Wir sind die Erwachsenen, wir können also tun und lassen, was wir wollen. Na ja, theoretisch zumindest. Jedenfalls können wir uns jederzeit selbst ins Bett bringen und uns einen Grießbrei kochen. Dafür braucht es kein Virus.