Expertinnen-Tipps: Hallo Gefühl! Was unangenehme Emotionen uns sagen wollen

Starke Emotionen können uns schnell überwältigen. Zum Glück können wir mehr tun als tatenlos zusehen. Carola Kleinschmidt hat vier Übungen für den konstruktiven Umgang mit großen Gefühlen – und Tipps, falls das Fühlen abhanden gekommen ist. 

Feb 5, 2025 - 11:28
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Expertinnen-Tipps: Hallo Gefühl! Was unangenehme Emotionen uns sagen wollen

Starke Emotionen können uns schnell überwältigen. Zum Glück können wir mehr tun als tatenlos zusehen. Carola Kleinschmidt hat vier Übungen für den konstruktiven Umgang mit großen Gefühlen – und Tipps, falls das Fühlen abhanden gekommen ist. 

Heftbox Brigitte Standard

Ärger – Ein guter Anlass

Ärger ist im Vergleich zur Wut ein kleines aggressives Gefühl. Fast täglich ärgern wir uns über irgendetwas, hätten es gern anders. Und es lohnt, den Ärger als Signal ernst zu nehmen und dann zu entscheiden: Jetzt, in dieser Sache setze ich mich für mich ein! Die Probleme mit den aggressiven Gefühlen haben ihren Ursprung nämlich oft darin, dass wir uns nicht trauen, Veränderungswünsche zu äußern – so wird aus dem kleinen Ärger der große Frust oder die große Wut. 

Wenn du dich das nächste Mal ärgerst, folge diesen drei Schritten:

Benenne für dich im Stillen das Ärgernis, etwa: Ich ärgere mich, weil ich unterbrochen werde. Oder: Ich ärgere mich, weil eine Sache nicht erledigt ist. 

Fragen dich dann: Was ist mein Ziel? Was führt mich konkret dorthin?

Mit dem konkreten Ziel fokussiere dein Denken. Zum Beispiel: Mein Ziel ist es, ausreden zu können.

Und: Mit der Antwort auf die Frage: "Was ist mein Ziel? Was führt mich konkret zu diesem Ziel?" entwickle eine Handlungsidee. 

Beim Ärger über eine Unterbrechung, wenn du gerade das Wort hast, könnte das so aussehen: Ergreife das Wort noch einmal und sage: "Lass mich bitte noch ausreden!" Oder: "Ich möchte diesen Satz noch zu Ende sprechen!"

Enttäuschung – Zeit für Veränderung

Frust und Enttäuschung sind Gefühle, die uns zeigen, dass die Dinge nicht so laufen, wie wir es erwartet haben. Im Gegensatz zum Ärger geben sie uns jedoch keinen klaren Auftrag zur Veränderung. Wir spüren selbst, dass es zwar schmerzhaft ist, wir uns aber eingestehen müssen, dass die Realität anders ist, als wir sie uns vorgestellt haben. 

Deshalb hilft uns Achtsamkeit im Umgang mit diesen Emotionen mehr als Aktion: 

Beruhige dein Nervensystem zum Beispiel mit einer Atemübung. Die 4-4-Technik ist ganz einfach: 4 Sekunden einatmen, 4 Sekunden ausatmen, immer im langsamen Wechsel. 

Überprüfe deine Erwartungen: Was war realistisch? Was eher unrealistisch?

Nehme eine Lernperspektive ein: Was kann ich jetzt oder in Zukunft verändern, damit Erwartung und Erleben besser zusammenpassen?

Sehnsucht – Am Wegesrand wird es spannend

Emotionen stehen nie für sich allein. Wenn wir uns auf ein Gefühl einlassen, tauchen oft noch weitere auf. Wie beim Wandern durch eine Landschaft, in der sich hinter der nächsten Wegbiegung ein völlig neuer Blickwinkel eröffnet. Nehme das Beispiel Sehnsucht: Das Gefühl zeigt uns, dass uns etwas sehr wichtig ist, was im Leben gerade nicht vorkommt. Wenn wir in die Gefühlswelt der Sehnsucht eintauchen, stoßen wir oft auf Trauer: Trauer über verpasste Gelegenheiten oder darüber, dass wir einst nicht festgehalten haben, wonach wir uns heute sehnen. Wenn wir weitergehen, taucht da oft auch die Angst vor Enttäuschung auf. Was, wenn wir trotz aller Anstrengungen doch nicht bekommen, wonach wir uns sehnen? Dennoch: Es lohnt sich, beherzt durch solche Gefühlslandschaften hindurch-zuwandern. 

Begib dich auf Entdeckungsreise: Mache einen Spaziergang oder nimm dir anders eine ruhige Zeit für dich. Widme dich deiner Sehnsucht. Wonach sehnst du dich? Gehe – bildlich gesprochen – durch das Geröll der Trauer und Angst vor Enttäuschung. "Der Weg durch das Geröll lohnt sich!", sagt Therapeutin Gabriele Frick-Baer. "Denn Sehnsucht setzt auch Kraft frei: Ja, ich will etwas verändern. Ja, ich habe die Erlaubnis, mein Leben zu gestalten!"

Alle unangenehmen Gefühle – Zuhören und umschalten

Unangenehme Gefühle haben etwas Klebriges an sich: Wir bleiben leicht an ihnen hängen, stecken buchstäblich darin fest. Das bringt uns aber nicht weiter, sondern schwächt uns nur. Heilsam ist es, wenn wir die eher schwierigen Gefühle hinter uns lassen können, nachdem sie ihre Botschaft abgeliefert haben. Kraftvolle, positive Bilder oder Vorstellungen können dabei eine Hilfe sein.

Die folgende Übung hilft dir, leichter zwischen den Gefühlsqualitäten zu wechseln:

Erinnere dich an deinen letzten Urlaub: Stell dir eine konkrete, angenehme Szene vor, vielleicht einen Spaziergang am Strand, einen Tag in den Bergen, einen Moment im Café …

Was fühlst du, wenn du daran denkst? Freude? Leichtigkeit? Wohlbefinden? Spüre in dich hinein und erlebe die positiven Emotionen noch einmal.

Denke nun an eine für dich belastende Situation. Nimm auch die damit verbundenen Gefühle wie Ärger, Wut oder Ohnmacht wahr (Achtung: Wenn diese Situation für dich noch sehr aktuell und unbewältigt ist, wirst du die negativen Gefühle sofort spüren). 

· Hänge nicht in diesem negativen Bild fest, sondern pendle zwischen den beiden Welten hin und her.

· Wenn dich deine Gefühle zu überwältigen drohen, steigst du aus der Übung aus. Lenk dich ab. Suche dir für diese Übung eine leichtere Situation.

Hallo Gefühl! – 5 Tipps, um wieder mehr zu fühlen

Aussprechen "Ich fühle Wut" oder "Ich fühle Traurigkeit und gleichzeitig Einsamkeit": Das Benennen von Emotionen aktiviert den rationalen Teil des Gehirns und sorgt so dafür, dass ihre Wucht etwas nachlässt. Gleichzeitig hilft es uns,besser zu verstehen, was wir da eigentlich fühlen, und Nuancen differenzierter wahrzunehmen. Zudem lernen wir mit der Zeit, anderen klarer davon zu erzählen. Und: Um ein Gefühl eindrücklich zu beschreiben, können wir auch etwas über die körperlichen Empfindungen erzählen, die es in uns auslöst.

Den Körper fragen: Du fühlst dich unsicher, ärgerlich oder glücklich? Spüre in deinen Körper hinein: Wo genau spürst du das Gefühl? Wie genau fühlt es sich an? 

Gefühle malen: Stell dir das Gefühl, das du besser verstehen möchtest, bildlich vor. Welche Farbe hat es? Welche Form? Der kreative Blick auf die Emotion bringt oft ganz neue und tiefere Einsichten in ihre Botschaften. 

Gefühlstagebuch schreiben: Notiere dir jeden Tag drei bis fünf Gefühle, die du erlebt hast, was sie in dir ausgelöst haben, und wie du darauf reagiert hast. Nach einer Weile wirst du erkennen, welche Gefühlsmuster typisch für dich sind, welche Gedanken damit einhergehen, und wie deine Emotionen dein Handeln beeinflussen. 

Gefühlswellen bremsen Wenn ein Gefühl uns zu überrollen droht, geht es im ersten Schritt darum, den emotionalen Druck zu verringern, damit wir uns nicht mehr ausgeliefert fühlen. Das hilft: sich mit tiefer Bauchatmung (vier Sekunden ein-, vier Sekunden ausatmen) beruhigen, sich ablenken, bewegen, den Boden bewusst unter den Füßen spüren.