Was ist Dopamin-Detox?
Dopamin-Detox bezeichnet den Versuch, Verhaltensweisen einzuschränken, die mit einer Dopaminausschüttung einhergehen. Das ist bei so ziemlich allem der Fall, was sich gut anfühlt, wie etwa: Süßigkeiten essen, das Smartphone checken, in den sozialen Medien Likes einfahren, an der Spielekonsole daddeln, Sex haben, Alkohol trinken.
Denn Dopamin sorgt als ein Botenstoff des Gehirns dafür, dass wir etwa beim Anblick einer Tafel Schokolade wissen, wie toll diese schmecken würde. Und beim Nachrichtenton des Smartphones ahnen: Womöglich gab es ein Like auf LinkedIn? Die Folge: Wir geben der Versuchung nach. Immer wieder. Bis wir das Gefühl haben, ein wenig die Kontrolle darüber zu verlieren, was wir tun – und vor lauter Smartphone-Checken etwa weniger konzentriert arbeiten können.
Dopamin-Detox kann helfen, solche unguten Gewohnheiten in den Griff zu bekommen. Wichtig: Das bedeutet nicht, vollständig auf alles zu verzichten, was Spaß bringt, um die Dopamin-Speicher zu leeren. „Das geht auch gar nicht, denn unser Gehirn produziert ständig Dopamin“, sagt Sabine Vollstädt-Klein, die als Professorin für Klinische und Experimentelle Neurowissenschaften an der Universität Heidelberg forscht – unter anderem zur Frage, wie Abhängigkeitserkrankungen entstehen. „Ohne Dopamin könnten wir nicht leben: Wir würden dann beispielsweise trotz Hunger an Lebensmitteln vorbeilaufen, weil sie uns nicht als etwas Verlockendes erscheinen würden.“
Der Hintergrund: Wie beeinflusst Dopamin unser Verhalten genau?
„Dopamin ist ein Botenstoff im Gehirn, der eine zentrale Rolle in Belohnungs- und Motivationssystemen spielt“, sagt Vollstädt-Klein. Es ist eine Voraussetzung für das Lernen und dafür, dass unser Gehirn Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden kann.
Wenn ein Kleinkind beispielsweise das erste Mal ein Eis isst, wird Dopamin ausgeschüttet. Wenn es in der Folge mehrmals den guten Geschmack erfährt, geschieht eine Konditionierung auf solche belohnungsankündigenden Reize. Das Eis erhält das Prädikat „wertvoll“. Sieht das Kind danach wieder ein Eis, wird erneut Dopamin ausgeschüttet – und kündigt damit das mögliche Wohlgefühl an.
Dopamin macht also nicht direkt glücklich, es ist kein „Glückshormon“ – vielmehr dient es dazu, unseren Fokus auf Dinge zu lenken, die uns glücklich machen könnten. „Dopamin wird deshalb auch ‚Erwartungsbotenstoff‘ genannt. Es steuert unsere Aufmerksamkeit und bringt uns dazu, eine Handlung zu wiederholen“, sagt Neurowissenschaftlerin Vollstädt-Klein.
Dopamin und die Entwicklung von Süchten
Das große Problem indes: Dopamin wird auch bei Handlungen ausgeschüttet, die uns schaden können, wie etwa beim Konsum von Drogen, Glücksspiel, Pornoschauen. Auch grundsätzlich weniger folgenreiche Handlungen, etwa der Konsum von Süßigkeiten, können zu suchtähnlichem Verhalten führen. „Wenn der Körper den Botenstoff übermäßig ausschüttet, verändert sich das Dopamin-System. Wir reagieren immer stärker auf die jeweiligen Reize – und brauchen immer mehr von einer Substanz oder einem Verhalten, um uns gut zu fühlen“, sagt die Expertin.
Was bringt Dopamin-Detox?
Es gibt inzwischen einige Studien, die zeigen: Wer versucht, ungünstige Gewohnheiten einzuschränken, kann mit Dopamin-Detox die persönliche Zufriedenheit steigern sowie die psychische und körperliche Verfassung bessern.
Doch warum fühlen sich Menschen besser, wenn sie weniger Dinge bekommen oder tun, die Wohlgefühle auslösen? Eine Erklärung: Wer von vielen Reizen umgeben ist, dadurch eine regelmäßige Dopamin-Ausschüttung erfährt und dem Drang nach der kurzfristigen Belohnung oft nachgibt, hat nicht nur weniger Zeit für andere Aktivitäten – sondern kann seine Aufmerksamkeit auch weniger gut auf anderes richten. In der Folge sinkt mitunter die Stimmung, Menschen werden unzufrieden. Etwa, weil sie sich weniger selbstbestimmt fühlen und bei der Arbeit beispielsweise weniger schaffen als gewollt. „Dopamin-Detox kann dann helfen, achtsamer zu werden und sich wieder in die Gegenrichtung zu regulieren, also Zufriedenheit aus anderen Aktivitäten zu ziehen, etwa Sport“, sagt Vollstädt-Klein.
Ein einzelnes ungünstiges Verhalten einzuschränken, kann zudem eine Positiv-Spirale in Gang setzen. „Eine Studie hat ergeben: Teilnehmende, die ihre Smartphone-Nutzung einschränkten, griffen auch seltener zur Zigarette, wenn sie Raucher waren. Das hat mich zunächst überrascht“, sagt Vollstädt-Klein. Die Vermutung der Forschenden: Eine verringerte Nutzung sozialer Medien, die Steigerung körperlicher Aktivität und die Verbesserung des Wohlbefindens im Allgemeinen könnten dazu beitragen, insgesamt nach einem gesünderen Lebensstil zu streben.
Wie gelingt Dopamin-Fasten?
Ein weiteres Ergebnis der Forschung betrifft die Rahmenbedingungen des Dopamin-Fastens. Demnach ist es günstiger, nicht komplett auf ein Verhalten zu verzichten, sondern eine Reduktion anzustreben, also etwa die Smartphone-Zeit zu begrenzen. „In einer Studie fielen die positiven Effekte bei Teilnehmenden, die die Smartphone-Nutzung um eine Stunde am Tag verringerten, stärker aus als bei jenen, die über sieben Tage hinweg das Smartphone komplett ausgeschaltet ließen. Außerdem waren die Effekte bei ihnen nachhaltiger“, so die Neurowissenschaftlerin.
Dopamin-Detox richtig angehen: 6 Tipps
1. Zunächst das eigene Verhalten reflektieren
Wer mit Dopamin-Detox starten will, sollte zuvor in die Selbstreflexion gehen. Und sich etwa fragen: Wann ist das Verhalten, dass ich beschränken möchte, besonders automatisiert?
Beispiel Süßigkeiten-Konsum: Der eine kann keinen Kaffee trinken, ohne dazu einen Keks zu essen; der andere greift bei der abendlichen Serien-Session wie ferngesteuert zur Chipstüte. Oder der Smartphone-Konsum: Die eine kommt morgens nicht ins konzentrierte Arbeiten, weil der Griff zum Smartphone so reizvoll ist; die andere belohnt sich mit einem Streif durch die sozialen Medien für den geschafften Tag und geht deshalb jeden Abend zu spät ins Bett.
Falls die Klarheit über die eigenen Gewohnheiten fehlt, kann zum Beispiel Journaling als Selbstreflexions-Methode helfen.
2. Das Ziel definieren
Ebenfalls vor dem Start des Dopamin-Detox gilt es, zu überlegen, wie umfassend die Reduktion ausfallen soll. Geht es darum, den Süßigkeitenkonsum möglichst umfassend einzuschränken – oder nur darum, das mittägliche Dessert zu streichen? Soll das Smartphone eine Stunde weniger lang in der Hand liegen – oder nach 18 Uhr für den Rest des Abends ausgeschaltet bleiben? „Sich ein realistisches, individuell passendes Ziel zu setzen und sich einen Plan zu machen, wie man es erreichen kann, ist enorm wichtig, um durchzuhalten. Das gilt fürs Dopamin-Detox wie für alle anderen Interventionen, die auf eine Verhaltensänderung abzielen“, sagt Vollstädt-Klein.
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3. Die Umgebung möglichst reizarm gestalten
Wer Smartphone und Keksdose auf dem Schreibtisch liegen hat, wird das Dopamin-Detox kaum durchhalten. Besser ist, alle möglichen Trigger aus der näheren Umgebung zu entfernen. So hat beispielsweise eine Studie gezeigt: Das Smartphone auszuschalten oder in eine Tasche zu packen, genügt nicht, um nicht mehr daran zu denken. Sich wirklich auf andere Dinge zu fokussieren, gelang jenen Teilnehmenden am besten, die das Gerät in einen anderen Raum gelegt hatten.
Wer etwa zu viel Zeit in sozialen Medien verbringt, könnte Apps auf dem Startbildschirm von Smartphone und PC löschen. Oder sich von Kanälen abmelden, die das eigene Belohnungssystem besonders stark triggern.
Um weniger Süßes zu essen, kann es helfen, erst gar nichts zu kaufen, was einen zuhause zum Snacken verführen könnte. Und: Besser nicht hungrig einkaufen gehen – das macht es fast unmöglich, ohne Dinge aus dem Laden kommen, die man eigentlich nicht mehr essen will. Daheim empfiehlt es sich, Snacks in Schubladen zu räumen, statt sie offen ins Regal zu legen: So kommt es nicht direkt zu einer Dopamin-Ausschüttung, wenn zufällig der Blick darauf fällt.
4. Alternativen suchen
Dopamin-Detox wird leichter, wenn es angenehme Ersatzhandlungen gibt zu denen, die man einschränken will. Hier hilft wieder eine kurze Selbstreflexion: Was würde ich gern häufiger machen, was würde mir Spaß machen?
Das können ganz kleine Dinge sein: Lesen, Spazierengehen, ein Bad nehmen, eine Runde Tischtennis spielen, ins Café gehen, das Lieblingsalbum aus Jugendzeiten hören, mit der Freundin telefonieren, ein altes Hobby neu aufnehmen oder einfach nur ein Katzenvideo gucken.
„Was auch hier wieder wichtig ist: Die Alternativen müssen wirklich Freude bereiten und passen. Wer sich im Alltag dazu aufraffen muss, zum Sport zu gehen, sollte sich nicht unbedingt eine Runde Joggen als Ersatz für eine ungünstige Gewohnheit vornehmen“, sagt Vollstädt-Klein.
Dazu sollten die alternativen Verhaltensweisen der Expertin zufolge keine „überstimulierenden Belohnungen“ darstellen, wie etwa Extremsport, Wettkämpfe oder Bungee-Jumping. „Geeigneter sind eher moderate Tätigkeiten.“
Die Neurowissenschaftlerin rät außerdem dazu, morgens den Tag gedanklich durchzugehen und zu überlegen, für welche Situationen man sich wappnen sollte. Dabei kann etwa die Woop-Methode helfen, die unter anderem auf konkrete „Wenn…dann“-Pläne setzt, um nicht in unliebsame Gewohnheiten zu verfallen.
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5. Entspannt bleiben
Ebenfalls wichtig: sich klarmachen, dass das Dopamin-Detox eine selbstgewählte Maßnahme ist, um das eigene Wohlbefinden zu steigern. Und sie entsprechend gelassen anzugehen. „Wer die Intervention als Strafe betrachtet oder als Zwang, setzt sich unter Stress. Das ist das Gegenteil dessen, das erreicht werden soll – und hindert am Durchhalten“, erklärt Vollstädt-Klein.
6. Geduldig sein
Die positiven Wirkungen des Dopamin-Detox zeigen sich oft erst nach einiger Zeit. Zu Beginn können sich Menschen niedergeschlagen fühlen, ängstlicher, reizbarer oder unruhig. Kein Wunder: Schließlich fehlen zunächst die gewohnten Wohlgefühle. Wer das von vorherein einkalkuliert, hält leichter durch.
Wer sollte vorsichtig mit Dopamin-Detox sein?
„Menschen mit einer psychischen Erkrankung wie einer Angststörung oder Depressionen sollten eine solche Intervention nur unter professioneller Anleitung machen – sonst kann sich die Stimmung stark verschlechtern“, sagt Vollstädt-Klein. Und Menschen, die unter Essstörungen leiden, sollten kein nahrungsbezogenes Dopamin-Detox unternehmen.
Quellen:
Brailovskaia J, Delveaux J, John J, et al. Finding the „sweet spot“ of smartphone use: Reduction or abstinence to increase well-being and healthy lifestyle?! An experimental intervention study. J Exp Psychol Appl. 2023;29(1):149-161. Abgerufen am 27.01.2024
Ward, F, et al. Brain Drain: The Mere Presence of One’s OwnSmartphone Reduces Available Cognitive Capacity. JACR. 2017;2(2): 140-154. Abgerufen am 27.01.2024
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