Noch dies und jenes versuchen

Gehört: Bei der Reihe „Zwischentöne“ kann ich mir auch einige der alten Sendungen anhören, dachte ich mir, und begann mit Wolf Lotter, aus dem Mai des letzten Jahres. Da geht es u.a. kurz um die lateinische Phrase nulla dies sine linea, kein Tag ohne Zeile, bzw. Linie. Die Wendung wird auf dieser Wikipedia-Seite kurz erläutert... Der Beitrag Noch dies und jenes versuchen erschien zuerst auf Buddenbohm & Söhne.

Jan 30, 2025 - 09:27
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Noch dies und jenes versuchen

Gehört: Bei der Reihe „Zwischentöne“ kann ich mir auch einige der alten Sendungen anhören, dachte ich mir, und begann mit Wolf Lotter, aus dem Mai des letzten Jahres. Da geht es u.a. kurz um die lateinische Phrase nulla dies sine linea, kein Tag ohne Zeile, bzw. Linie.

Die Wendung wird auf dieser Wikipedia-Seite kurz erläutert und passt mir, wie man sich vorstellen kann, gut. Lotter sagt da: „Ein, zwei Stunden Schreiben, das braucht es, um den Kopf in einen Zustand zu bringen, um so denken zu können, wie ich es gerne hätte.“

Jo. So ist es, ich schließe mich an. Wie ich ab und zu an anderer Stelle sage, ohne das regelmäßige morgendliche Schreiben wäre ich vermutlich schon aus dem Verkehr gezogen worden. Man muss sich die Hilfsmittel zurechtlegen, wie man nur kann.

Interessant aber auch, dass Wolf Lotter das Recht auf Home-Office mit der Emanzipation des Individuums zusammenbringt, das sagte mir ebenfalls zu.

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Ansonsten im Laufe des Tages schleichend leicht angegrippt. Ab dem frühen Nachmittag erste Anzeichen von Schüttelfrost, Halsschmerzen etc. und von da an abwärts, man kennt das. Das stündlich zunehmende Krankheitsgefühl passte dann unangenehm gut zur Politik in diesem Land. Auch gewisse Werte und die Demokratie sind nicht mehr im besten Zustand. Die haben aber auch in den letzten Jahren unübersehbar abgebaut, wie wir alle bemerkt haben werden. Etwas hinfällig wirken sie mittlerweile, etwas angeschlagen, wenn nicht sogar deutlich pflegebedürftig. Die kommen ohne Hilfe doch gar nicht mehr klar, denkt man immer öfter.

Man könnte sich bei den negativen Formulierungen dieser Art noch weiter steigern, und bei gewissen Parteien habe ich ohnehin kaum noch Hoffnung auf Besserung. Das war es dann wohl.

Andererseits hilft uns die fatalistische Haltung nicht mehr weiter, wie wir ebenfalls alle wissen. Die Mühen der Ebene oder der Berge, wo sind wir eigentlich. Offene Feldschlacht und die Kunst des Krieges, allmähliche Verfertigung, Kaizen, alerta, alerta, was auch immer. To muddle through and to keep buggering on, wie in den letzten Wochen bereits für dieses Jahr vorgemerkt. Wir können aus den Geschichtsbüchern keinen Berechtigungsschein auf eine uns genehme und sich progressiv entwickelnde Weltlage ableiten, wie es aussieht. Es wirkte nur eine Weile lang so, und wir wollten es wohl auch zu lange glauben.

Jeder also wo, wie und was er kann, um es kurz zu fassen. Mit Bandenbildung und allem. Wir wollen uns doch etwas Mühe geben, wollen wir nicht?

Mit einer recht hohen Wahrscheinlichkeit wird sich mein Befinden allerdings in wenigen Tagen bereits deutlich verbessern, vielleicht sogar schon in Stunden. Wie es bei gewöhnlichen Infekten so ist. Beim Land, bei den Werten und bei der Demokratie wäre das in dieser Geschwindigkeit eine Wunderheilung, damit rechne ich nicht.

Es sind doch eher chronifizierte Gebrechen, die einer komplizierten Langzeittherapie bedürfen, und ein Ende ist auch nicht abzusehen. Die diagnostizierenden Fachleute machen vage Gesten der Unbestimmtheit und wissen noch nicht recht. Sie gucken mehrheitlich eher skeptisch als optimistisch, legen sich aber nicht fest. Noch dies und jenes versuchen, sagen sie, man will dann auch nicht ausgelassen haben. Wohin aber schickt man Länder, Werte und Systeme zur Kur?

Darüber heute ein wenig im Bett nachdenken. Ich lege mich wieder hin.

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