Neuer US-Präsident : Trump schlagen – mit seiner eigenen Methode

Donald Trump flutet die Welt mit Dekreten, Drohungen und Ankündigungen. Dahinter steckt eine alte Strategie – die der neue US-Präsident aber nicht exklusiv haben muss 

Jan 26, 2025 - 17:12
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Neuer US-Präsident : Trump schlagen – mit seiner eigenen Methode

Donald Trump flutet die Welt mit Dekreten, Drohungen und Ankündigungen. Dahinter steckt eine alte Strategie – die der neue US-Präsident aber nicht exklusiv haben muss 

Von Steve Bannon, einst ein wichtiger Berater Donald Trumps, gibt es einen berühmt-berüchtigten Ratschlag: „Flood the zone with shit.“ Die wörtliche Übersetzung dürfte recht klar sein, übertragen auf das Politikgeschäft heißt das: Überflute Medien und Volk mit Ankündigungen, Forderungen und Provokationen – egal was, Hauptsache, niemand kann mehr prüfen, was nun stimmt oder tatsächlich kommt, und was nicht. 

Bannon ist zwar nicht mehr als enger Berater an Trumps Seite, diesen Satz aber haben der 47. Präsident der USA und sein Team offenkundig verinnerlicht. So minutiös wie von vielen erwartet (und von einigen auch befürchtet) legte Trump ab Montagabend los und unterschrieb ein Präsidialdekret nach dem anderen: Die Schließung der Grenze zu Mexiko für Migranten; Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen und aus der Weltgesundheitsorganisation; die Begnadigung von 1500 Anhängern, die am 6. Januar 2021 das Kapitol gestürmt hatten und dafür ins Gefängnis geschickt worden waren (manche für brutalste Gewalt); die Erklärung des Energienotstands im Land, um Öl- und Gasbohrungen zu erleichtern; die Aberkennung der US-Staatsbürgerschaft durch Geburt in den USA – um nur einige Beispiele zu nennen. 

NL Die WocheUnd als er damit fertig war, ging es gleich so weiter: Neben drei der mächtigsten Tech-Manager der Welt, die brav wie die Schuljungen an seiner Seite standen, verkündete Trump gewaltige Investitionen in die IT- und Energie-Infrastruktur des Landes, um damit neue Anwendungen der Künstlichen Intelligenz zu entwickeln. Die unvorstellbare Summe von 500 Mrd. Dollar wollten allein die drei Herrschaften mobilisieren, so Trump, Projektname: Stargate – darunter geht es jetzt nicht mehr. 

Bis zum gestrigen Auftritt per Video-Schalte in Davos war diese Woche für ihn eine rundum perfekte Inszenierung, die über Monate vorbereitet wurde: Hier redet einer nicht lange herum, sondern macht, was er im Wahlkampf genauso versprochen hat.  Veränderung ist unter Trump kein langsamer Prozess wie bei uns in Europa, in dem alle irgendwie mitgenommen werden müssen, sondern sie kommt bei ihm als schlichter Bruch mit allem, was davor war oder gegolten hat. 

Drei Kategorien

Ein solches Vorgehen ist nicht nur für die direkt Betroffenen eine immense Herausforderung, sondern auch für alle, die Trumps Politik deuten und analysieren müssen – für Unternehmen ebenso wie die Beamten in ausländischen Regierungszentralen und für uns Medien. Wir alle wollen und müssen verstehen, was hinter der Flut an Ankündigungen, Dekreten, Forderungen und Drohungen wirklich steckt: Was ist substanziell und was bloß Show, um die eigenen Anhänger bei Laune zu halten? „Flood the zone with shit“ galt nicht nur für den Heimatmarkt, sondern gilt universell.  

Nach dieser Woche lassen sich bei Trump drei Kategorien bilden, die einem bei der Bewertung helfen: Erstens, Beschlüsse, die wirklich etwas verändern. Zweitens Beschlüsse, die absehbar scheitern werden. Und drittens, offensichtliche Effekthascherei, deren Kunst Trump wie kaum sonst jemand auf der Welt beherrscht. 

In die erste Kategorie fällt die Begnadigung der Kapitolstürmer, die nun alle wieder auf freiem Fuß sind. Auch der Ausstieg aus internationalen Organisationen und Abkommen, etwa zur Mindestbesteuerung von Unternehmen, zählt dazu. Wie auch die Einführung von neuen Handelsschranken. Hier kann Trump einigermaßen frei schalten und walten.  24-01-25 Davos Fazit

Die zweite Kategorie ist etwas diffiziler, denn hier kommt es auf die auch in den USA durchaus komplexen Strukturen in Justiz und Verwaltung an. Trump würde sie gerne schleifen, aber wie weit ihm dies gelingt, ist offen. Ein Richter im Bundesstaat Washington verwarf jedenfalls am Donnerstag Trumps Dekret, das den Anspruch auf die US-Staatsbürgerschaft durch Geburt in den USA einschränken und für illegale Migranten ganz abschaffen sollte. Er habe in seinen vier Jahrzehnten als Richter nicht einen Fall zu entscheiden gehabt, „der so klar ist wie dieser“ – eben „eklatant verfassungswidrig“, erklärte der Richter. 

Damit ist der Streit um die Staatsangehörigkeit aber nicht beendet, sondern geht erst richtig los. Denn Trump wird auf seiner Position beharren und die Frage wahrscheinlich bis vor den Supreme Court treiben – ein Gericht, das er mehrheitlich mit seinen Richtern besetzt hat. Ähnlich dürfte es um die nun ausgesetzten Umweltstandards stehen, die bisher Öl- und Gasprojekte in Naturreservaten verhinderten – auch hier wird es Klagen und Widerstände geben, die die Projekte lange verzögern und vielleicht sogar ganz verhindern werden. Trumps Ära des „flüssigen Goldes“, von der er gerne spricht und auf der große Teile seiner wirtschaftlichen und geostrategischen Pläne beruhen, könnte bescheidener ausfallen als gedacht. 

Und dann ist da die dritte Kategorie, die Show. Dazu gehört das Projekt „Stargate“, die Ankündigung von Oracle, OpenAI und dem japanischen Tech-Investor Softbank, in den nächsten vier Jahren in den USA bis zu 500 Mrd. Dollar in KI-Infrastruktur zu investieren. Die Zahl klingt bombastisch, und tatsächlich werden die USA ihren Vorsprung bei KI gegenüber Europa und China in den kommenden Jahren noch um ein Vielfaches vergrößern. Dafür sorgen aber die ohnehin gigantischen Investitionen von US-Konzernen wie Microsoft, Alphabet und Meta – bei Stargate hingegen gibt es viele Fragezeichen, allen voran jene, woher Softbank eigentlich das ganze Geld nehmen will. Kein Geringerer als ausgerechnet Trumps Schattenpräsident Elon Musk ließ sich in dieser Woche genüsslich über die offensichtlichen Zweifel und Unstimmigkeiten in dem Projekt aus. 

Was kann die EU tun?

Die Strategie, die Welt mit Zahlen, Programmen und Ankündigungen zu fluten, funktioniert ironischerweise aber auch umgekehrt – eine wichtige Lehre für alle, die in den kommenden Monaten mit Trump umgehen müssen. Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed Bin Salman hat es bereits vorgemacht und angekündigt, unter Trumps Ägide werde sein Land bis zu 600 Mrd. Dollar in den USA „investieren“. Trump nahm es mit Wohlgefallen zur Kenntnis – es waren nämlich 100 Milliarden mehr als er selbst zuvor von den Saudis eingefordert hatte. Unter investieren verstehen die Scheichs allerdings nicht nur den Bau von Fabriken in den USA, sondern auch den Einkauf von Waren und technischem Know-How, allem voran neue Waffensysteme.22-01-2025 Stargate

Das aber kann Europa auch: Zwar hat Deutschland mit den USA nach wie vor einen großen Handelsüberschuss – ein Umstand, der Trump regelmäßig erzürnt –, aber allein Deutschland importiert inzwischen auch aus den USA pro Jahr Waren im Wert von rund 100 Mrd. Euro. Für ganz Europa summieren sich die jährlichen Importe aus den USA sogar auf weit mehr als 300 Milliarden – und dieser Wert wird mit der absehbaren Aufrüstung in Europa sicher noch deutlich steigen. Damit lässt sich auch wuchern, erst Recht, wenn man das bis zum Jahr 2028 hochrechnet. 

Ein Anruf in Washington und eine möglichst große Zahl – 1,5 oder 2 Billionen zum Beispiel –, das wäre mal ein Angebot, das Trump sicher gerne mitnehmen würde.