Laut Psychotherapeutin: Welche (unangenehmen) Gefühle in der Therapie normal sind
Eine Psychotherapie ist häufig eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Hast du dich auch schon mal gefragt, ob das, was du fühlst, eigentlich normal ist? Eine Psychotherapeutin erklärt, welche Emotionen häufig aufkommen – und warum sie ganz natürlich sind.
Eine Psychotherapie ist häufig eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Hast du dich auch schon mal gefragt, ob das, was du fühlst, eigentlich normal ist? Eine Psychotherapeutin erklärt, welche Emotionen häufig aufkommen – und warum sie ganz natürlich sind.
Zum Glück ist es inzwischen nicht mehr so schambehaftet, eine Psychotherapie zu machen. Heute trauen die meisten Menschen sich, zumindest mit Personen, die ihnen nahestehen, offen über ihre psychischen Themen zu sprechen. Und auch in vielen beruflichen Umfeldern ist eine Therapie glücklicherweise nicht mehr so ein Tabuthema wie noch vor einigen Jahrzehnten.
Diese Entwicklung ist natürlich sehr positiv. Aber trotzdem ist es ganz normal, dass bei den Betroffenen unangenehme Gefühle und Überforderung rund um eine psychische Erkrankung und die Therapie aufkommen. Viele Menschen sind unsicher und wissen nicht so richtig, was sie in einer Therapie erwartet – und wie sie mit schwierigen Gefühlen umgehen sollen. Prof. Dr. Petra Beschoner ist Fachärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin und Ärztliche Leiterin der Akutklinik Bad Saulgau und erklärt, welche Gefühle innerhalb der Therapie bei vielen Patient:innen aufkommen – und vollkommen natürlich sind.
Diese Gefühle können in der Therapie aufkommen – und sind kein Grund zur Sorge
1. Du fühlst dich unwohl
Für viele Menschen kann eine Therapiesituation erst einmal merkwürdig sein. Das Zwiegespräch mit einem:einer Therapeut:in fühlt sich womöglich fremd an, da ist es nur natürlich, dass wir uns hin und wieder unwohl fühlen. Das bestätigt auch Petra Beschoner: "Zu Beginn stellt eine Therapie für Betroffene eine ungewohnte Situation dar, da sie nicht wissen, was auf sie zukommt oder was von ihnen womöglich erwartet wird." Manche seien sich unsicher, worüber sie sprechen sollen, können oder dürfen, setzen sich daraufhin selbst unter enormen Druck, was zu Unwohlsein führen kann.
2. Du bist unsicher, wie du deine Gefühle ausdrücken sollst
Auch Unsicherheit darüber, wie wir unsere Emotionen gegenüber dem:der Therapeut:in erklären sollen, ist ganz natürlich. "Nicht alle Patient:innen erleben die Therapie auf gleiche Weise", erklärt Prof. Beschoner dazu. "Während die einen ihre Gefühle formulieren können, fällt es anderen sehr schwer, sie in Worte zu fassen." Es unterscheide sich grundsätzlich, wie leicht es für Betroffene ist, sich intensiv mit den persönlichen und belastenden Anliegen zu befassen. Wenn du also auch hin und wieder Schwierigkeiten hast, bestimmte Gefühle und Gedanken zu kommunizieren, ist das kein Grund zur Sorge.
3. Du weißt nicht so recht, worüber du sprechen sollst
Aber nicht nur das Wie beim Ausdrücken der Emotionen kann eine Hürde sein, manchmal ist es auch das Was. Häufig wissen wir womöglich gar nicht so richtig, was genau wir besprechen sollen. Gerade zu Beginn einer Therapie erleben viele Menschen einen gewissen Druck, zu jeder Stunde ein besonderes Thema mitzubringen. "Nicht selten verspüren Patient:innen in den ersten Sitzungen eine große Unsicherheit und Überforderung", bestätigt die Psychotherapeutin. "Viele sind es nicht gewohnt, ihre Emotionen und Gedanken eine Stunde lang in den Fokus zu stellen und mit voller Aufmerksamkeit angehört zu werden." Wenn du also unsicher bist, worüber du mit deinem:deiner Therapeut:in sprechen sollst, teile auch diese Gefühle ganz offen.
4. Du hast manchmal keine Lust auf deine Therapiestunde
Auch ist es völlig natürlich, manchmal von der Therapie genervt zu sein und an einigen Tagen – oder an vielen – schlicht und einfach keine Lust auf eine Sitzung zu haben. "Therapie ist ein mühsamer und zeitintensiver Prozess, der viel Geduld sowie Eigeninitiative erfordert", meint Prof. Beschoner dazu. "Daher ist es völlig verständlich, dass manche hin und wieder die Motivation verlieren." Wichtig ist es, diese Gefühle einordnen zu können und natürlich trotzdem am Ball zu bleiben.
5. Du schämst dich dafür, eine Therapie zu machen
Um das gleich vorwegzunehmen: Natürlich gibt es keinen Grund, sich für eine Therapie zu schämen. Im Gegenteil: Wir sollten stolz sein, dass wir unserer Gesundheit die Aufmerksamkeit schenken, die sie verdient hat. Aber dennoch kann dieses Gefühl hin und wieder aufkommen – je nachdem, mit wem und in welcher Situation wir darüber sprechen. "Auch die Haltung des Umfelds zu psychischen Erkrankungen beeinflusst oft, wie sehr sich Patient:innen schämen", sagt dazu auch die Expertin. Wenn in unserer Familie also etwa sehr herablassend über Depressionen, Angststörungen oder andere Erkrankungen gesprochen wird, kann das dazu führen, dass unser Schamgefühl größer ist.
Wie du mit negativen Gefühlen in der Therapie umgehen kannst
Petra Beschoner empfiehlt, nicht so hart mit uns zu sein, wenn negative Gefühle in der oder rund um die Psychotherapie aufkommen. Stattdessen sollten wir daran arbeiten, diese Emotionen anzunehmen. "Ob Angst, Scham oder Unsicherheit – alle Gefühle haben ihre Berechtigung und sind während einer Therapie völlig in Ordnung", erklärt sie. "Schließlich existieren sie einfach, dabei gibt es kein Richtig oder Falsch." Es sei wichtig, zu akzeptieren, dass die verschiedensten Reaktionen und Emotionen aufkommen, und diese zu reflektieren.
Zuletzt ermahnt sie uns zur Nachsicht mit uns selbst: "Es ist wichtig, dass Betroffene sich nicht mehr für ihre Empfindungen schuldig fühlen und sich nicht selbst niedermachen, sondern nachsichtiger mit sich umgehen."