Journal Samstag, 25. Januar 2025 – Frühlingsversprechen und Abschluss der Gänse-Saison

Ausgeschlafen mittelfrüh aufgewacht, putzmunter. Seit fast vier Jahren wohnen wir jetzt hier oben – und die Aussicht ist mir immer noch nicht fad geworden. Eher muss ich mir vor Augen führen, dass ich sie sicher noch ein paar Jahre genießen kann. Dass wir uns die Miete mit ihren vorhersehbaren Erhöhungen bis dahin in der Rente […]

Jan 26, 2025 - 14:38
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Journal Samstag, 25. Januar 2025 – Frühlingsversprechen und Abschluss der Gänse-Saison

Ausgeschlafen mittelfrüh aufgewacht, putzmunter.

Vor wolkigem Morgenhimmel mit erstem Licht ein moderner Kirchturm, kahle Bäume eines Parks, eine Straße mit Autos, von Laternen beleuchtet

Vor rosa-wolkigem Morgenhimmel mit erstem Licht ein moderner Kirchturm, kahle Bäume eines Parks, eine Straße mit Autos, von Laternen beleuchtet

Seit fast vier Jahren wohnen wir jetzt hier oben – und die Aussicht ist mir immer noch nicht fad geworden. Eher muss ich mir vor Augen führen, dass ich sie sicher noch ein paar Jahre genießen kann. Dass wir uns die Miete mit ihren vorhersehbaren Erhöhungen bis dahin in der Rente nicht mehr werden leisten können, ist klar – und ich neige dazu, schon jetzt, viele Jahre vorher, Abschied zu nehmen, statt mich aufs Genießen zu konzentrieren (vorauseilender Abschied – gibt’s dafür einen Namen?). Und Sie lasse ich mietfrei mitgenießen.

Die zweigeschoßige Wohnung ganz oben bei uns im Haus wird derzeit ausgeräumt, ein Zettel an der Haustür kündigt Generalsanierung an. Herr Kaltmamsell war mal bei der bisherigen Bewohnerin eingeladen und berichtete Interessantes vom Grundriss – jetzt spekuliere ich darauf, dass die Bauarbeiten mir die Möglichkeit bieten, mal reinzuschauen.

Ich freute mich auf meine Schwimmrunde im Olympiabad, hatte auch Lust, das Fahrrad dorthin zu nehmen (in den Kurven schön vorsichtig weil Rollsplit). Radeln zum Schwimmen statt U-Bahn bedeutete aber auch: Begegnung mit so! vielen! Wahlplakaten. Wahlkampf ist ein schlimmes politisches Parallel-Universum. (Noch schlimmer: Dass manche ihn auf die gesamte Legislaturperiode ausdehnen.)

Das eigentliche Schwimmen war ok, die vielen anderen und zur Hälfte bewaffneten Schwimmer*innen machten viele Pausen am Beckenrand, da waren sie mir lieber als auf der Bahn. Wie angekündigt lichtete sich der Himmel, schon meine Heimfahrt wurde mild.

Zu Hause Wäsche aufgehängt. Frühstück um zwei: Apfel, Avocado, Balkanbrot mit Käse, Roggenvollkornbrot mit Nocilla.

Ich reaktivierte den seit Monaten vernachlässigten Sauerteig: Die erste Februarwoche habe ich Urlaub genommen, einfach so, spätestens dann möchte ich wieder Brot backen. Klar war der Sauerteig schon ziemlich gammlig, aber in dieser Hinsicht bin ich eine Wildsau: Man konnte sogar Sauerteigreste aus ägyptischen Pyramiden reaktivieren, da lasse ich mich doch nicht von ein bisschen Gammligkeit abschrecken. (Verwendet habe ich natürlich nur den rosig und ungammlig aussehenden Teil.)

Über den Nachmittag Miete abgewohnt (im Winter sehe ich die Wohnung ja nur am Wochenende bei Tageslicht) u.a. bei Zeitungslektüre. Die Balkontür durfte eine Stunde lang frierfrei offenstehen.

Blick von innnen auf sonnigen Balkon, auf dem winterkahl nur eine Holzbank steht, innen rechts davon ein Tischchen mit Tulpenstrauß

Mit leisem “Plopp” wuchsen allen Münchnerinnen Sonnenbrillen ins Haar.

Erhöhter Blick durch kahle Bäume auf rosa Abendhimmel, davor ein modernes Klinik-Gebäude

Die Wohnung wurde bereits von köstlichen Düften erfüllt: Vereinbarungsgemäß machte Herr Kaltmamsell zum Nachtmahl eine letzte Gans der Saison. Sie geriet ihm wieder sehr gut, er bereitete sogar aus Ernteanteil-Kartöffelchen ein paar Knödel dazu.

Schräger Blick auf eine Küchenzeile, darauf im Vordergrund eine braun gebratene Gans, die ein Mann mit Schürze gerade mit einer Geflügelschere zerteilt

Ein Festmahl. Im Glas restlicher Weißwein vom Vorabend (passte auch dazu nicht wirklich) und vom Vorwochenende. Nachtisch Schokolade.

§

Gerburg Jahnke lernte ich Anfang des Jahrtauends über die Empfehlung einer Kollegin (danke, Angelika) als Hälfte des Kabarett-Duos Misfits kennen – und kam dadurch zum ersten Mal ins Gebäude des Zirkus Krone. Zu dieser Zeit hatte ich wegen Überarbeitung den Anschluss an Kabarett eh verloren, ihn durch die Misfits zurückzubekommen, das war geradezu epiphanisch. Jetzt wurde Jahnke 70, in der ARD-Mediathek gibt es eine Doku über sie (die, da muss ich sie gleich warnend enttäuschen, nicht auf ihren völlig abgefahrenen Vornamen eingeht – die größte Annäherung, die mir einfällt, wäre Walburga):
“Gerburg Jahnke: ‘Wenne Mittwoch überlebs, is Donnerstach'”.

Einerseits nicht meine Art von Feminismus, meiner strebt nach Differenzierung und Inklusion und akzeptiert Verallgemeinerungen “Frauen sind” nicht mal mehr als Basis von Witzen (und fühlt sich “als Frau” weder bei Wellness mit Maske im Gesicht gemeint noch bei der angeblichen Attraktivität gefühlsbehinderter Männer). Andererseits dann doch meine Art von Feminismus, der volle Kanne andere Frauen fördert.

Unter anderem unterhält sich Gerburg Jahnke mit der zweiten Hälfte der Misfits, Stephanie Überall, und erinnert sich an ihre gemeinsame Zeit bis zur Trennung 2005. Mein liebster Satz darin:
“Weißt du, was die Männer nicht gewusst haben? Dass man mit Feminismus so viel Geld verdienen kann.”
Und dann lachte sie sich scheckig.