„Baltic Sentry“: NATO startet neue Überwachungsmission für die Ostsee
Unter dem Eindruck von hybriden Angriffen gegen die kritische Infrastruktur vor allem unter Wasser in der Ostsee hat die NATO eine neue Überwachungsmission gestartet. Baltic Sentry (etwa: Wächter der Ostsee) ist laut Bundeskanzler Olaf Scholz zunächst auf drei Monate angelegt und soll neben der klassischen Überwachung mit Schiffen und Flugzeugen auch neue technische Möglichkeiten wie Datenauswertung und Drohneneinsätze mit einbeziehen. Die neue Mission gab NATO-Generalsekretär Mark Rutte nach einem Treffen der Staats- und Regierungschefs von Allianzmitgliedern als Ostsee-Anrainerstaaten am (heutigen)
Unter dem Eindruck von hybriden Angriffen gegen die kritische Infrastruktur vor allem unter Wasser in der Ostsee hat die NATO eine neue Überwachungsmission gestartet. Baltic Sentry (etwa: Wächter der Ostsee) ist laut Bundeskanzler Olaf Scholz zunächst auf drei Monate angelegt und soll neben der klassischen Überwachung mit Schiffen und Flugzeugen auch neue technische Möglichkeiten wie Datenauswertung und Drohneneinsätze mit einbeziehen.
Die neue Mission gab NATO-Generalsekretär Mark Rutte nach einem Treffen der Staats- und Regierungschefs von Allianzmitgliedern als Ostsee-Anrainerstaaten am (heutigen) Dienstag in der finnischen Hauptstadt Helsinki bekannt:
Today, I can announce that NATO is launching “Baltic Sentry”. Under the authority of NATO’s Supreme Allied Commander, General Chris Cavoli, this military activity is part of our ongoing effort to enhance maritime presence and monitoring of key areas for our Alliance. It will involve a range of assets, including frigates and maritime patrol aircraft, among others, and will enhance our vigilance in the Baltic.
Second, we have agreed today to launch an initiative to deploy new technologies to this effort, including a small fleet of naval drones, to provide enhanced surveillance and deterrence. We are also working with Allies to integrate their national surveillance assets with NATO, ensuring comprehensive threat detection.
und vom militärischen NATO-Oberkommando:
Allied Command Operations (ACO), which is responsible for the planning and execution of all NATO operations, is executing Baltic Sentry in the Baltic Sea to deter any future attempts by a state or non-state actor to damage critical undersea infrastructure there.
The multi-domain activity, which will continue for an undisclosed amount of time, is in response to damage to undersea cables connecting Estonia and Finland on Dec. 25, and follows a declaration of solidarity by Allies with the two countries on Dec. 30, and the Baltic Sea NATO Allies Summit in Helsinki, Finland today.
“Baltic Sentry will deliver focused deterrence throughout the Baltic Sea and counter destabilizing acts like those observed last month,” said U.S. Army General Christopher G. Cavoli, Supreme Allied Commander Europe. “It is indicative of the Alliance’s ability to rapidly respond to such destabilization, and shows the strength of our unity in the face of any challenge.”
Die Absicht hinter der neuen Aktion hatten die beteiligten Länder auf dem Gipfel sehr deutlich gemacht:
We, the Heads of State or Government of Denmark, Estonia, Finland, Germany, Latvia, Lithuania, Poland and Sweden, have met today in Helsinki, in the presence of the Secretary General of NATO and the Executive Vice President of the European Commission, to address the recent increase in serious incidents damaging critical undersea infrastructure in the Baltic Sea.
We are deeply concerned by actions, be they negligent or malicious, which cause damage to or threaten the functioning of critical undersea infrastructure. We strongly condemn acts of sabotage to critical undersea infrastructure.
We are determined to deter, detect and counter any attempts at sabotage. Any attack against our infrastructure will be met with a robust and determined response. We stand ready to attribute hostile actions committed by malign actors, as appropriate.
We welcome that NATO has launched the enhanced Vigilance Activity “Baltic Sentry” to improve situational awareness and deter hostile activities. We welcome the efforts of Allies to deploy additional assets at sea, in the air, on land and below the surface of the sea, to enhance vigilance and deterrence. The Commander Task Force-Baltic in Rostock has been activated and coordinates Allied ships in the Baltic Sea. NATO´s Maritime Centre for the Security of Critical Undersea Infrastructure and NATO´s Critical Undersea Infrastructure Network will support efforts to protect and secure vital undersea assets.
Der Bundeskanzler ließ nach dem Gipfeltreffen zwar offen, mit welchen Mitteln sich Deutschland konkret an Baltic Sentry beteiligen werde. Er bestätigte aber, dass das maritime Hauptquartier in Rostock Commander Task Force-Baltic die Aktion steuern werde – und nannte, im Gegensatz zur NATO, zunächst eine Dauer von 90 Tagen:
Wir werden uns an der Baltic Sentry genannten Aktivität der NATO beteiligen, in der wir mit all dem, was uns an maritimer Handlungsinfrastruktur zur Verfügung steht, zusammenarbeiten. Das wird sich jetzt zuallererst 90 Tage hinziehen. Dort werden wir eine gemeinsame Überwachung all der Infrastrukturen möglich machen und auch gemeinsam Kenntnisse entwickeln, wie wir das für die Zukunft weiter voranbringen können.
Wir haben uns auch darauf verständigt, dass wir im Rahmen der Kommandostrukturen, die in Rostock für die Ostsee im Rahmen der NATO etabliert worden sind, auch die Zusammenarbeit in dieser Frage und die Lagebilderstellung weiter vorantreiben wollen, sodass wir eine gute Ausgangsbasis für das haben, was notwendig ist.
(Das komplette Statement von Scholz fürs Archiv:
20250114_Scholz_Helsinki_NATO_Ostsee)
Absehbar ist aber, dass die Bundeswehr zumindest mit den Einheiten beteiligt sein wird, die bereits jetzt für die Ostsee eingesetzt werden: Der Tanker Rhön als Teil der Standing NATO Maritime Group 1 (SNMG1) und das Minenjagdboot Datteln als Teil der Standing NATO Mine Countermeasure Group 1 (SNMCMG1) sowie ein Seefernaufklärer vom Typ P-3C Orion.
Interessant wird auch, über die NATO-Aktivität hinaus, das deutsche Vorgehen gegen Schiffe der so genannten Schattenflotte, in der vor allem Tanker meist unter Billigflaggen russisches Öl transportieren und damit Sanktionen gegen Russland umgehen. Der Kanzler dazu:
Ich habe auch vorgeschlagen, dass wir uns sehr konkret mit der Frage auseinandersetzen, wie wir auch gegen Schiffe vorgehen können, die solche Zerstörungen verursachen könnten oder auch tatsächlich verursacht haben. Wir haben Rechte, wenn sie sich in unseren Hoheitsgewässern befinden, aber das geht auch darüber hinaus. Deshalb werden wir ganz konkret im Rahmen der dafür zuständigen Außenministerien eine Arbeitsgruppe etablieren, in der wir über die rechtlichen Handlungsmöglichkeiten reden, die wir haben, um auch in solchen Gewässern gegen Schiffe vorgehen zu können, die Zerstörung verursacht haben oder von denen wir befürchten, dass sie dies tun werden, schauen, ob wir mit dem vorhandenen internationalen Seerecht genügend Handlungsinstrumente haben, und gegebenenfalls zusätzliche Möglichkeiten im Rahmen der EU und der nationalen Gesetzgebung schaffen, damit wir nicht nur zuschauen, sondern handeln können. Das ist uns jedenfalls sehr wichtig, wenn es um diese Fragen geht.
(Randbemerkung: Das lässt allerdings die Frage offen, warum der Tanker Eventin, der der Schattenflotte zugerechnet wird und der in den vergangenen Tagen vor Rügen nach einer Havarie abgeschleppt werden musste, jetzt von den deutschen Behörden so schnell wie möglich außerhalb deutscher Gewässer gesehen werden möchte.)
(Archivbild 2022: Minenjagdboot Datteln beim Auslaufen – Marcel Kröncke/Bundeswehr)