Wachsames Gehirn: Kurze Videos über erkältete Menschen aktivieren das Immunsystem
Ab wann beginnt das Immunsystem, hochzufahren? Wenn es mit Erregern in Kontakt kommt oder schon bei entsprechenden optischen Signalen, auch wenn der Körper noch mit keinen Keimen konfrontiert ist? Diese Frage trieb ein Forscherteam des Fachbereichs Biologie der Universität Hamburg um. Löst der Anblick kranker Menschen eine Immunreaktion aus? Die deutschen Wissenschaftler wollten wissen, ob …
Ab wann beginnt das Immunsystem, hochzufahren? Wenn es mit Erregern in Kontakt kommt oder schon bei entsprechenden optischen Signalen, auch wenn der Körper noch mit keinen Keimen konfrontiert ist? Diese Frage trieb ein Forscherteam des Fachbereichs Biologie der Universität Hamburg um.
Löst der Anblick kranker Menschen eine Immunreaktion aus?
Die deutschen Wissenschaftler wollten wissen, ob schon der Anblick kranker, niesender Menschen eine gewisse Immunreaktion auslöst, auch, wenn diese sich nicht wirklich im selben Raum befinden. Also fertigten sie kurze »Erkältungsvideos« an, die ihre 62 Testpersonen zu sehen bekamen. Außerdem mischten die Forscher Kurzfilme von gesunden Menschen darunter – zum direkten Vergleich. Während der verschiedenen Sitzungen maßen sie die Gehirnaktivitäten der Teilnehmer und hielten nach freigesetztem sekretorischen Immunglobulin A (slgA) Ausschau. Dieser Antikörper ist auf die Abwehr von Atemwegserregern spezialisiert. Veröffentlicht wurden die Studienergebnisse in der Fachzeitschrift »Brain, Behaviour and Immunity«.
Der Anblick niesender, sichtbar kranker Menschen aktivierte bei den Zuschauern die vordere Insula, die als Schnittstelle von Gehirn und Immunsystem dient. Daneben fand tatsächlich eine erhöhte Ausschüttung von slgA statt. Auch eine Hirnregion namens Amygdala, die an Angstgefühlen beteiligt ist, zeigte eine deutliche Reaktion – allerdings auch bei den Videos mit gesunden Menschen. Wahrscheinlich handelt es sich um einen Wachsamkeitseffekt bei Anwesenheit fremder Menschen und gilt nicht spezifisch für Kranke.
Gehirn kann allein eine Immunreaktion anstoßen
Offensichtlich kann also das Gehirn allein bereits eine Immunreaktion anstoßen, ohne dass ein realer Angriff vorliegt. Teamleiterin Esther Diekhof erklärt dazu: „Während die Insula die zentrale Immunaktivierung koordiniert, könnte die Amygdala eher als Alarmsystem für soziale Situationen mit erhöhtem Übertragungsrisiko fungieren.« Insgesamt macht das alles großen Sinn, denn je schneller die Immunantwort, desto erfolgreicher der Kampf. Wenn das Gehirn also ein Ansteckungsrisiko erkennt, gibt es gleich das passende Signal ab und wartet nicht darauf, dass die Keime im Körper ankommen. So ist der »Organismus auf die erwartete Erregerbelastung vorbereitet«, sagt Diekhof.
Quelle: science.orf.at