Review: „Keep Driving“ (Videospiel)
Diese Woche erscheint mit „Keep Driving“ ein sehr besonderes Indie Game, das ich euch ans Herz legen möchte. Im Oktober letzten Jahres hatte ich hier bereits Trailer und Informationen zum Videospiel hier im Blog, in […]
Diese Woche erscheint mit „Keep Driving“ ein sehr besonderes Indie Game, das ich euch ans Herz legen möchte. Im Oktober letzten Jahres hatte ich hier bereits Trailer und Informationen zum Videospiel hier im Blog, in dem man Auto fährt, ohne zu steuern, dafür aber mit etlichen Ereignissen und einem gewissen Simulations-Effekt. Ein Pixel-gewordener Dauer-Roadtrip, der deutlich mehr Tiefe besitzt, als man zunächst annehmen mag. „Keep Driving“ stammt vom schwedischen Duo Josef Martinovsky and Christopher Andreasson, die als Game Studio Y/CJ/Y aktiv sind. Ich habe vorab einen Presse-Key erhalten, um das Spiel vorab testen zu können und möchte euch von meinen Erfahrungen aus rund sechs Stunden Roadtrip-Simulation berichten.
Der Weg ist das Ziel
Nach einer kurzen Startauswahl an Fahrzeug sowie Charakterzügen geht es auch schon direkt los auf die Straße. Das fühlt sich bei all den kleinen Dingen und der großen Kartenwelt zunächst etwas überwältigend an. Auch wenn sich vieles mit der Zeit von selbst erklärt, wäre meiner Meinung nach etwas mehr Leitung und ein sich nach und nach aufblätterndes System von Vorteil gewesen, aber vielleicht folgt das ja noch (ich habe eine sich stetig verändernde Vorabversion zum Testen erhalten).
Was direkt positiv auffällt, ist der wundervolle Grafikstil, mit dem „Keep Driving“ uns auf die Reise schickt. Der alte Retro-Pixel-Look passt wunderbar zum etwas nostalgisch angehauchten Anfang-der-2000er-Setting. Ohne Smartphones und moderner Hektik ist man direkt entspannter unterwegs. Ein großes Prunkstück ist hierbei vor allem die gezeigte Umwelt. Ob Landstraßen an der See, Autobahnen durchs Nirgendwo oder in belebten Großstädten – stets bekommen wir Abwechslung und detailreich gestaltete Visuals geboten. Hinzu kommen Einflüsse wie Tageszeit-Wechsel und Wetterumschwünge. Was im Großen super klappt, hat allerdings auch seine merklichen Einschränkungen im Kleinen. Vor allem im etwas orientierungslosen Beginn sind kleine Gegenstände (und deren Benutzungs-Marker) nicht immer direkt als das zu erkennen, was sie darstellen sollen. Danke Mouseover-Effekten findet man die Antworten dann zwar irgendwann, aber auch hier muss man sich zunächst daran gewöhnen, wann an welcher Stelle welcher Text angezeigt wird. Nach einer kleinen Spritztour hat man aber das Wichtigste raus und einer entspannten Fahrt steht nichts mehr im Wege.
Dinge, die einer entspannten Fahrt im Wege stehen…
Einfach nur von A nach B zu fahren, wäre ja langweilig. Wie das bei längeren Autofahrten auch im echten Leben so ist, kommt unverhofft verdammt oft. Da kann es schon einmal vorkommen, dass neben Stau oder Schlaglöchern einfach mal eine Kuh auf der Strecke steht und nicht weg will. Bei diesen Challenges macht „Keep Driving“ von einer kleinen Battle-Mechanik Gebrauch.
Die „Straße“ stellt euch vor Probleme, die mit gewissen Attacken daher kommen und auf eure Energie, euer Geld, euren Sprit oder die Fahrzeug-Stabilität abzielen. Mittels eigener Fähigkeiten oder der Nutzung kleiner Gegenstände können diese Bedrohungen entschärft werden, wobei man immer gewisse Icon-Konstellationen „treffen“ muss. Ein interessanter Ansatz, der ein bisschen Taktik und Finesse erfordert, aber nicht zu kompliziert wird. Das Puzzeln macht Spaß, solange es nicht zu viel und zu gleich wird.
Per Anhalter durch die Pixelwelt
Für Abwechslung sowie Unterstützung im Kampf gegen die Wagnisse der Straße sorgen Anhalter:innen. Regelmäßig bieten sich bunte Gesell:innen für die Mitfahrt an, bei denen ihr entscheiden könnt, ob ihr sie mitnehmen wollt. Falls ja, erhaltet ihr nicht nur vereinzelte Gesprächsfetzen während der Fahrt, sondern auch eine Person, die eigene „Lösungsmuster“ für die kleinen Problem-Bewältigungs-Battle bietet. Und ein Missionsziel, das euch Belohnungen sichert, das an eine Geschichte geknüpft ist, die das bloße Herumfahren deutlich aufwertet.
Mitentscheidend für das Mitnehmen einer anhaltenden Person ist jedoch auch der verfügbare Platz. Je nach gewählten Fahrzeug gibt es nur eine bestimmte Anzahl an Sitzen, zumal man diese auch umgeklappt haben kann, damit mehr Stauraum für Snacks und diverse nützliche Utensilien vorhanden ist. Da muss die ein oder andere Person schon einmal im wahrsten Sinne des Wortes auf der Strecke bleiben.
Beim Kaufen von Proviant oder neuen Teilen für das Auto kommt eine weitere Stärke von „Keep Driving“ zum Vorschein. Zum einen muss man durchaus ein gewisses „Tetris“-Talent mitbringen, vor allem aber spornt das Spielsystem an, das Beste rauszuholen – sowohl für das Fahrzeug als auch für sich selbst. Nahrungsmittel braucht es gegen Müdigkeit und Hunger, Gegenstände im Handschuhfach helfen gegen die Straßen-Bedrohungen und diverse Sondergegenstände wissen für Missionen, Such-Spaziergänge oder andere Begebenheiten von Vorteil zu sein. Hinzu kommt eine Art rudimentäres Tuning-System, mit dem man sein Auto verbessern kann. Neben ästhetischen Verbesserungen kann man so auch Einfluss auf Bedrohungen nehmen, vor allem im Zusammenspiel mit erlernten Fähigkeiten lässt sich manch eine symbiotische Verbindung erstellen. Leider lassen sich nur sehr begrenzt Verbesserungen einbauen. Möchte man gerne diese Bremse und jene Motorenverbesserung einbauen, muss man leider feststellen, dass viele Gegenstände auf den einen selben Bauplatz gehören. Zu gerne würde man sein Auto mehr und mehr aufmotzen, das ist ein bisschen schade. Aber mit der Zeit wird einem auch klar, dass es das eigentlich gar nicht benötigt. Dafür sind die Ausflüge nämlich eigentlich viel zu kurz.
Das Ende ist nur der Anfang… „Keep Driving“!
Mit dem Vollenden einer größeren Mission kann man nämlich schon einmal ein offizielles Ende des Spieles erreicht haben. Dann heißt es „Zurück auf Start“ – mit neu freigespielten Charakterzügen, Fahrzeugen und Gegenständen – und ab auf den nächsten Roadtrip!
Durch das prozedural generierte System bekommen wir jedes Mal neue Strecken und Orte auf der Karte angezeigt, so dass es sich nicht einfach wie ein langweiliges Re-Play anfühlt. Stattdessen möchte man direkt eine andere Strecke fahren, ein anderes Ziel verfolgen und einen anderen Ansatz ausprobieren. Mit der Zeit merkt man, wie viele kleine Dinge Einflüsse auf das Spielgeschehen besitzen. Ob man während der Fahrt im gedanklichen Selbstgespräche bestimmte Antworten auswählt, zu viel Junk Food in sich rein ballert oder zu viele Nebenjobs annimmt, um an Kohle zu kommen – vieles bringt passive Veränderungen mit sich, die den Rest der Spielerunde oder sogar die nächste mit beeinflussen kann. So habe ich einen Mitfahrer rausgeschmissen, nachdem er eine Mitfahrerin beleidigt hat. Zunächst habe ich das Label „Untrustworthy“ erhalten, am Ende des Spieles war dann eine Art Tagebuch-Eintrag á la „Ich habe einen stänkernden Typen rausgeworfen“ zu lesen.
Durch diese Zurücksetz-Mechanik erhöhen sich Langspielspaß und Wiederspielanreiz ungemein. Das schreibe ich jetzt, nach sechs Stunden Spielzeit, im Wissen, dass ich mir nach einer Stunde noch notiert hatte, dass man „oft die gleichen Strecken“ fährt und es zu viel Repetition kommt. Keine Ahnung, ob ich bei dem Durchlauf einfach Pech hatte oder zu viel mitnehmen wollte, aber kleine Mini-Missionen haben mich immer wieder zurück an die Start-Stadt fahren lassen, was irgendwann genervt hat. Daher mein Appell: Unbedingt die Weite der Karte aufsuchen! Dann kommt auch die Weite des Spieles zum Tragen.
Dann entdeckt man auch die vielen tollen Details. Wie die einzelnen CDs, die man in Läden kauft oder geschenkt bekommt, um fortan ein größeres Reportoire an Songs im Auto hören zu können (was wäre ein Roadtrip ohne gute Musik?!). Oder der mit der Zeit ramponiertere Look der Fahrzeuge. Fährt man auf holpriger Offroad-Strecke, können schon einmal Kaffee oder Milkshake auf der Ladefläche umkippen. Und hat man getrunken, sollte man natürlich kein Auto mehr fahren. Daran erinnert einen auch das Spiel – vor allem aber wackelt der komplette Bildschirm (und man hat – quasi konträr zum echten Leben – eine geringere Reaktionszeit bei Bedrohungen).
Fazit
Insgesamt gefällt mir „Keep Driving“ sehr. Das Spiel ist keine langweilige Simulation des Fahrens, sondern des Fahrerlebnisses. Statt auf Gaspedal und Bremse zu drücken, fährt alles automatisch und man kann sich aktiv oder passiv dem ganzen Drumherum widmen. Dabei werden die Geschichten und Erlebnisse in unterschiedliche Game-Mechaniken verpackt, die für Abwechslung aber auch ein stringentes sowie miteinander verwobenes System sorgen. Dabei hat man stets auf so einiges zu achten, wird aber nie von einer Welle an zu Überblickendem überfrachtet. Eine interessante Mischung, die es wert ist, angespielt zu werden.
Man merkt dabei, wie viele Gedanken und wie viel Leidenschaft in die Gestaltung des Spieles geflossen sind. Was auf den ersten Blick wie ein eher simpel gehaltenes Strecken-Simulations-Fahrspielchen wirkt, entpuppt sich dann doch als deutlich verwobeneres und tiefergehendes Spielvergnügen. Dabei kommen tatsächlich nostalgische Erinnerungen an eigene Fahrten auf und die kleinen auf der Karte verteilten Geschichten von (anderen oder Mit-)Reisenden bringen durchaus Motivation auf, wieder selbst mehr zu reisen und erleben zu wollen. Hinzu kommt, dass einem das eigene Pixel-Auto durchaus ans Herz wächst. Gerade deshalb fände ich es super, wenn es auch einen echten Endlos-Modus geben würde. Aber vielleicht gibt es den ja bereits nach Freispielen sämtlicher Enden – oder er folgt als Zuschlag im Rahmen eines kommenden Updates. Ich würde mich freuen.
„Keep Driving“ kaufen & spielen
Das Spiel „Keep Driving“ erscheint übermorgen, am Donnerstag, den 6. Februar 2025, für den PC. Auf Steam könnt ihr euch bereits jetzt eine kostenlose Demoversion herunterladen. Mir liegen leider aktuell keine Informationen vor, was den geplanten Verkaufspreis anbelangt. Ich würde aber mal auf etwas zwischen 10 und 20 Euro tippen (plus einer Rabattaktion zum Release). Meiner Meinung nach kann man gut und gerne 10 und mehr Stunden mit dem Spiel verbringen, da unterschiedliche Ziele, Fahrzeuge und Taktiken viel Entdeckenswertes mitbringen. Alles Weitere zum Spiel findet ihr auf den offiziellen Kanälen dazu (Website / Twitter). Ich wünsche allseits gute Fahrt!