Forschung: Das perfekte Ei? Dauert 32 Minuten, sagt die Wissenschaft
Forschende aus Neapel wollen ihn endlich gefunden haben: den Weg zum wachsweichen Frühstücksei. Ihre Methode nennen sie "periodisches Kochen"
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Forschende aus Neapel wollen ihn endlich gefunden haben: den Weg zum wachsweichen Frühstücksei. Ihre Methode nennen sie "periodisches Kochen"
Dass ein Hühnerei Menschen vor Probleme stellt, liegt an seinem zwiespältigen Inneren. Damit Eigelb und Eiweiß wachsweich werden, also weder trocken noch schleimig schmecken, brauchen sie unterschiedliche Temperaturen. Beim Eiweiß sind es 85 Grad Celsius, beim Eigelb nur 65.
Nun könnte man die Schale brechen, Eigelb von Eiweiß scheiden, sie getrennt kochen, zusammen servieren und dann in einem Happs verspeisen. Spitzenköche machen das. Alle anderen suchen den Kompromiss: Sie lassen die Schale heil und wählen eine Kochzeit, die beiden Extremen des Hühnereis einigermaßen gerecht wird.
Von einem Konsens über die Ausgestaltung dieses Kompromisses ist die Gesellschaft jedoch weit entfernt. "Viereinhalb Minuten!", brüllen die einen. Dann in ein Handtuch wickeln und fünf Minuten abkühlen lassen. "Frevel!", entgegen die anderen und fordern sechseinhalb Minuten. Dann unter kaltem Wasser – fließend, aus dem Hahn! – abschrecken. Beides Quark, findet der Autor dieser Zeilen. Sechs gefühlte Minuten kocht er sein Frühstücksei und wähnt sich dabei im militanten Widerstand gegen den Fordismus am Küchentisch.
© Pellegrino Musto und Ernesto Di Maio
Unmöglich, diesen Disput zu schlichten. Gäbe es nicht die Wissenschaft, die bekanntermaßen aufräumt mit ideologischer Verblendung und gefühlten Wahrheiten. In einer im Fachblatt "Nature Communications" erschienenen Studie behaupten neapolitanische Chemikerinnen und Materialwissenschaftler, den Weg zum perfekten Frühstücksei gefunden zu haben. Ihre Methode ist radikal, setzt sie doch auf zwei statt nur einen Kochtopf: Im ersten köchelt 100 Grad Celsius heißes Wasser, im zweiten steht 30 Grad kühles. Das Ei muss bei Zimmertemperatur gelagert werden, schreiben die Forschenden, dann wird es in das kochende Wasser getaucht. Nach exakt zwei Minuten wandert es in das 30 Grad kühle Wasser, verweilt dort ebenfalls zwei Minuten. Diesen Prozess wiederholt man 16-mal, also insgesamt 32 Minuten lang.
Auf diese Zeitangaben waren die Forschenden der Universität Neapel in Modellrechnungen gekommen. Während der Bäder im heißen Waser wird das Eiweiß demnach zwischen 87 und 100 Grad Celsius heiß, im kalten Wasser kühlt es auf 30 bis 55 Grad Celsius herunter und ist nach 32 Minuten, so die Mathematik, wachsweich. Die Wissenschaftler machen sich dabei zunutze, dass Wärme und Kälte nur langsam in das Eigelb vordringen. Nach einer kurzen Aufwärmphase herrschen dort konstante 67 Grad Celsius.
Aus Theorie wurde Praxis. Die Forschenden kochten Hühnereier "periodisch", wie sie ihre neue Methode nennen, untersuchten sie per Massenspektroskopie und Profilanalyse. Das Fazit: Sowohl Eiweiß als auch Eigelb waren wachsweich, schmeckten hervorragend und wiesen dazu sehr gute Nährstoffgehalte auf.
Und warum das Ganze? "Als Materialwissenschaftler lag die Herausforderung auf der Hand", antwortet Forschungsgruppenleiter Ernesto Di Mario auf GEO-Anfrage. Das perfekte Ei sei zwar Geschmacksache, aber eben auch eine Frage für die Wissenschaft. "Das Projekt war ein unerwarteter Nebenaspekt unserer Forschung."
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Ob die neue Wahrheit über das perfekte Frühstücksei auch in der Gesellschaft verfängt, bleibt abzuwarten. Ein Schritt in die richtige Richtung wäre es, ebenso eine gute Übung für die großen Fragen unserer Zeit. Listen to the science – hört auf die Wissenschaften. Auch beim Eierkochen.