Yellowstone Nationalpark: Vorsicht, Sauerstoff! Extreme Mikroben berichten vom Anfang des Lebens
Zeugen der Urzeit: Kleine Bewohner von heißen Quellen zeigen, wie das Leben eine der größten Krisen der Erdgeschichte bewältigen konnte – die Sauerstoffkatastrophe
Zeugen der Urzeit: Kleine Bewohner von heißen Quellen zeigen, wie das Leben eine der größten Krisen der Erdgeschichte bewältigen konnte – die Sauerstoffkatastrophe
Die Hölle auf Erden schillert in Blau, Gelb, Orange: Tausende von Thermalquellen, Dampffahnen und Geysiren sprenkeln die Landschaft des Yellowstone-Nationalparks im Nordwesten der USA, gespeist aus der Energie eines Supervulkans in der Tiefe. Ein prachtvoller Ort, aber keiner, an dem Lebewesen sich wohl fühlen könnten, so würde man denken. Doch selbst im kochenden Wasser spüren Forschende immer wieder neue Mikrobenformen auf, die sich an die hohen Temperaturen und Schwefelkonzentrationen angepasst haben.
Einige dieser "Extremophilen" scheinen nun sogar eines der größten Rätsel in der Entwicklung des Lebens lösen zu können, wie eine kürzlich im Fachblatt "Nature Communications" erschienene Studie zeigt. Eine Forschungsgruppe um den Geochemiker William Inskleep von der Montana State University verglich dafür über Jahre die hitzebeständigen Bakterienkolonien in zwei verschiedenen heißen Quellen des Nationalparks: in der Octopus Spring und der Conch Spring.
Ein Modell für eine der größten Lebenskrisen der Erde
Die Geochemie beider Quellen ist zwar sehr ähnlich, die Wassertemperaturen betragen jeweils rund 88 Grad Celsius, und die Bakterien wachsen nach gleichem Muster: Sie bilden in fließendem Wasser der Quellen fadenartige Kolonien, die winzigem Seetang ähneln. Der entscheidende Unterschied: Der Sauerstoffgehalt ist im Wasser der Octopus Spring weit höher als in der Conch Spring. Und das erlaubt eine Reise zurück in die Urzeit – zu jener Epoche, in der das Leben auf Erden in eine ernsthafte Midlife-Crisis geriet.
Das war vor rund 2,4 Milliarden Jahren, also lange nach der Entstehung der ersten Mikroben, aber weit bevor sich die ersten Vielzeller bildeten. Frühe Cyanobakterien hatten die Photosynthese entwickelt: die Fähigkeit, Sonnenlicht für das Wachstum zu nutzen. Doch als Abfallprodukt entstand Sauerstoff, der für die meisten Organismen in dieser Zeit giftig war. Innerhalb relativ kurzer Zeit schnellte im Ozean und in der Atmosphäre der Sauerstoffgehalt in so dramatische Höhen, das Forschende diese erdzeitliche Epoche als "Große Sauerstoffkatastrophe" bezeichnen. Wie konnte das Leben sie überstehen?
Die Analyse der heißen Quellen liefert dafür neue Hinweise: Die Bakterienkolonien der sauerstoffreichen Octopus Spring greifen auf Stoffwechselgene zurück, die ihre Verwandten der sauerstoffarmen Conch Spring nicht nutzen. Auch ist die Vielfalt der Kolonien in der Octopus Spring weit höher. Der Anstieg des Sauerstoffs in der Urzeit könnte genau diese Biodiversität hervorgebracht haben – und damit auch Arten, die in der Lage waren, die Krise zu überleben.
Neue Mikroben bahnten den Weg – auch für uns Menschen
"Solche Organismen waren wohl für den Ursprung der heutigen Mikrobiologie entscheidend", sagt William Inskeep, "und letztlich für die gesamte Komplexität des Lebens, uns Menschen eingeschlossen."
Neue Studien sollen im Yellowstone-Nationalpark die Fähigkeiten extremer Bakterien nun weiter offenlegen. "Im Labor könnten wir diese Experimente kaum durchführen", so Inskeep. Die Hydrothermalquellen sind ein einzigartiges Biologie-Modell: Selbst die schillernden Farben der brodelnden Wassertöpfe gehen auf Mikroben zurück. Sie stammen von den Pigmenten winziger Organismen, die sich auf unterschiedliche Temperaturen und Mineralienkompositionen im Wasser spezialisiert haben.