Rath checkt ein: Zwei Hotels im Schweizer Engadin, wo auch Nietzsche Urlaub machte
Die kleine Gemeinde Sils im Engadin ist für Nicht-Eidgenossen ein echter Geheimtipp. Im „Waldhaus Sils“ und dem „Parkhotel Margna“ entdeckt unser Kolumnist zudem das vielleicht beste Preis-Leistungs-Verhältnis der Schweiz
Die kleine Gemeinde Sils im Engadin ist für Nicht-Eidgenossen ein echter Geheimtipp. Im „Waldhaus Sils“ und dem „Parkhotel Margna“ entdeckt unser Kolumnist zudem das vielleicht beste Preis-Leistungs-Verhältnis der Schweiz
Im Ausland ist Sils mit seinen 700 Einwohnern weniger bekannt, in der Schweiz dagegen ein überaus beliebtes Ziel. Ambitionierte Wintersportler reisen zum „Freeski World Cup“ an, Fans seiner Werke besuchen das Nietzsche-Haus und Wanderfreunden gefällt die Lage zwischen Silvaplanersee und Silsersee für ihre Touren. Der Ort teilt sich auf in Sils-Maria, das kulturelle Zentrum mit vielen Veranstaltungen, und Sils-Baselgia, das von unberührter Natur umgeben ist.
Auf meiner Reise besuche ich jeweils ein traditionsreiches Hotel: das „Waldhaus Sils“ und das „Parkhotel Margna“. Beide prägen eine lange Historie und besonderer Charme. Doch was zeichnet die Häuser noch aus und wie gelingt der Spagat zwischen Modernisierung und bewahrter Geschichte? Das will ich herausfinden.
„Waldhaus Sils“: Ein Refugium für Kulturfans
Mit seiner majestätischen Lage oberhalb des Silsersees fügt sich das historische Gebäude harmonisch in die alpine Landschaft des Engadins ein. 1908 als exklusives Grand Hotel eröffnet, wurde das Haus rasch zur Oase für anspruchsvolle Reisende und Kunstliebhaber aus der ganzen Welt. So übernachteten hier beispielsweise Hermann Hesse oder Friedrich Nietzsche.
Heute ist das „Waldhaus Sils“ ein Fünf-Sterne-Hotel mit 140 Zimmern in unterschiedlichen Stilen und hat zwei Restaurants sowie ein 1500 Quadratmeter großes Spa auf drei Ebenen. Außerdem stehen den Gästen ein Fitnessbereich mit Technogym-Geräten zur Verfügung und es werden Yogakurse angeboten.
Das Hotel wurde im Stil der Belle Époque erbaut, mit dementsprechend vielen charmanten Details an der Fassade und im Inneren. Das Mobiliar ist zum Teil über 100 Jahre alt und wurde liebevoll restauriert, was zum besonderen Flair dieses Luxushotels beiträgt.
Kaum angekommen, fällt mir auf: Es scheint viele Stammgäste zu geben, die seit Jahrzehnten immer wiederkommen. Man kennt sich, und diese enge Verbindung zwischen Hotel und Gast kann so vielleicht nur einem in der fünften Generation geführten Familienhotel wie dem Waldhaus Sils gelingen. Die Direktion liegt in den Händen der Brüder Patrick und Claudio Dietrich, die kürzlich zu „Hoteliers des Jahres 2024“ gekürt wurden.
Zu Recht, denn zum einen achtet kein anderes Hotel in der Schweiz so sorgsam auf seine Geschichte, und schlägt gleichzeitig neue, innovative Wege ein. Und zum anderen kenne ich neben „Schloss Elmau“ in den bayerischen Alpen kein einziges Haus, das so stark in Kunst und Kultur investiert: Ob Ausstellungen, Lesungen, Vorträge oder Konzerte – allein für das abwechslungsreich kuratierte Programm lohnt der Besuch. Für den März 2025 ist zudem ein Vinyasa-Yoga-Retreat angekündigt, das zahlreiche Sportbegeisterte nach Sils locken dürfte.
Moderate Preise in der Gastronomie
Bemerkenswert: Wer Halbpension wählt, erhält abends fünf Gänge und drei Menüs zur Wahl – für gerade einmal 60 Franken pro Person, was in der Schweiz unschlagbar günstig ist. Zudem haben sie die Möglichkeit, einen Abend im À-la-carte-Restaurant zu speisen und am Donnerstag findet ein Gala-Abend statt. Die Weine sind preiswert und gut, die Wildküche ist hervorragend und durch den Einkauf bei lokalen Betrieben kommen stets frische, regionale Zutaten auf den Tisch – wie der köstliche Lachs, den ich probiere. Nein, ein so exzellentes Preis-Leistungs-Verhältnis ist selten.
Mein Zusatztipp: Fragen Sie nach Zimmer 194, denn von dort aus genießen Sie einen direkten, ungestörten Blick über den Silsersee bis zu den Alpen. Fantastisch!
„Parkhotel Margna“: moderner Stil à la Italien
Nur zehn Autominuten entfernt, im kleinen, älteren Ortsteil Sils-Baselgia, liegt das „Parkhotel Margna“. Seine rötliche Fassade mit den grünen Fensterläden erinnert mich an Gebäude in der Toskana. Schließlich ist Italien eh bloß 40 Kilometer entfernt. Das Hotel selbst hat eine interessante Geschichte, die über 200 Jahre zurückreicht. Ursprünglich wurde es 1817 als Patrizierhaus eines Engadiner Zuckerbäckers erbaut und heute bietet es 59 Zimmer und Suiten, die alle individuell gestaltet sind.
Oft wirkt die Kombination von Früher und Jetzt etwas verkrampft, doch im Parkhotel Margna gelingt sie so mühelos wie harmonisch. Die Arvenholzzimmer (deutsche Zirbelkiefer) beispielsweise sind gemütlich und geschmackvoll eingerichtet, was die Renovierung des gesamten Hauses bloß noch hervorgehoben statt unter den Segnungen der Moderne begraben hat. Hinter allem steckt gestalterisches Gespür, das wird wieder und wieder deutlich: vom stilvollen Weinkeller, in dem Tastings veranstaltet werden, bis zu den hochwertigen italienischen Designermöbeln.
Den Hotelbetreibern ist Nachhaltigkeit wichtig, darum wird der eigene Garten gut gepflegt und der uralte Baumbestand erhalten. Drei Restaurants, eine Bar und der „Genusskeller“ – ein aufwändig restauriertes Gewölbe mit Lounge – bieten genug Auswahl und heimelige Atmosphäre für gesellige Runden und feierliche Anlässe. Mir gefällt die Authentizität, die das Haus prägt, vom stimmigen Speisenangebot bis zum italienischen Dekor ist alles harmonisch aufeinander abgestimmt und ergänzt das Gesamtbild.
Vier Sterne Hotel: es könnte auch noch einer mehr sein
Die Mitarbeiter sind stets zuvorkommend, aufmerksam und leben herzliche Gastfreundschaft. Viele im Team sind italienischer Herkunft und arbeiten schon seit Jahren im Hotel – ein gutes Zeichen! Das Direktorenpaar Simona und Luzi Seiler nimmt sich ebenfalls viel Zeit für unsere Gespräche, 2022 wurden die beiden mit der Auszeichnung „Aufsteiger des Jahres“ geehrt. Ihr Verhältnis zu den Eigentümern der Immobilie scheint bestens und von langjährigem, gegenseitigem Vertrauen geprägt zu sein.
Neben seiner originellen Architektur und der herzlichen Gästebetreuung bietet das „Parkhotel Margna“ ein breites Angebot an Freizeitmöglichkeiten. Es gibt einen großzügig gestalteten Spa-Bereich mit finnischer Sauna, Sanarium (milde Temperaturen), Erlebnisduschen und Kneipp-Wasserbecken, einen hoteleigenen Vier-Loch-Golfplatz sowie ein Kino, das tagsüber als Spielzimmer dient. Und wenn man die hohe Qualität des Service berücksichtigt, dann verdient dieses Haus der Kategorie „Vier Sterne Superior“ durchaus noch einen fünften Stern.
Mein Fazit: Beide besuchten Hotels verbinden Tradition, Moderne und Herzlichkeit wunderbar miteinander, zudem fängt jedes auf seine Art den Charme des Engadins ein. Dank seiner vielen Pisten für Skifahrer und Snowboarder ist Sils oft eher als Winterziel bekannt, doch auch im Sommer hat die gesamte Region einiges zu bieten. Rund um die malerischen Bergseen macht das Wandern ebenso Spaß wie ausgedehnte Radtouren. Nicht zu vergessen, das weltberühmte Engadiner Licht, das die Landschaft in warme, goldene Töne taucht. Und ihre Besucher gleich mit.