Handelskonflikt: Wie China und Donald Trump die Modebranche ausbremsen

China reagiert auf US-Zölle und bringt so die bekannten US-Modemarken Calvin Klein und Tommy Hilfiger in Bedrängnis. Doch auch Donald Trumps Anti-Wokeness-Haltung könnte die Modebranche hart treffen

Feb 6, 2025 - 15:04
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Handelskonflikt: Wie China und Donald Trump die Modebranche ausbremsen

China reagiert auf US-Zölle und bringt so die bekannten US-Modemarken Calvin Klein und Tommy Hilfiger in Bedrängnis. Doch auch Donald Trumps Anti-Wokeness-Haltung könnte die Modebranche hart treffen

In Werbeclips verriet Justin Bieber einst, er lasse nichts zwischen sich und „seine Calvins“. Gemeint war Unterwäsche von Calvin Klein, für die der Popstar seit 2015 Werbung machte. Jetzt müsste man korrekterweise ergänzen „… außer China“, denn seit Kurzem steht Calvin Klein, beziehungsweise dessen Konzernmutter PVH, auf einer „Blacklist“ der chinesischen Regierung. PVH, mit Marken wie Calvin Klein und Tommy Hilfiger, sei demnach ein „unzuverlässiges Unternehmen“, wie es heißt.

Um zu verstehen, warum ein Weltkonzern wie PVH in China plötzlich als „unzuverlässig“ gilt, muss man tausende Kilometer weiter westlich schauen: in die USA. Ein Grund für diesen drastischen Schritt des chinesischen Handelsministeriums sind nämlich die von US-Präsident Donald Trump erlassenen Strafzölle von zehn Prozent, auf die China nun reagierte. Und dafür hätte es kaum symbolträchtigere amerikanische Modemarken treffen können als diese zwei. Gut, von Ralph Lauren einmal abgesehen. Schließlich spielten die (Staats-)Farben Blau, Weiß und Rot bei Hilfiger immer schon eine wichtige Rolle im Design und „die Calvins“ prägen spätestens seit den Plakaten mit „Marky Mark“ Wahlberg Anfang der 1990er-Jahre Unterwäsche-Schubladen weltweit.

Doch im Fall von PVH lohnt sich ein genauerer Blick: auf die Gründe für die ab dem 10. Februar drohenden Sanktionen, die zu befürchtenden Folgen und mögliche Reaktionen des Weißen Hauses.

Uiguren-Region im Fokus

Nach offiziellen Angaben aus China geht es um den Verzicht von Calvin Klein und Tommy Hilfiger auf Baumwolllieferungen aus der Region Xinjiang seit 2022, die wegen des Vorwurfs von Zwangsarbeit und anderen Menschenrechtsverletzungen der Bevölkerungsgruppe der Uiguren in der Kritik steht. Sowohl in der EU als auch in Nordamerika existieren strenge Importauflagen bzw. -verbote bei Produkten, die mit Baumwolle aus Xinjiang hergestellt wurden. Insofern ist der Stopp seitens der PVH-Marken kein rein soziales Engagement, sondern eine Reaktion auf rechtliche Auflagen, etwa des „Uyghur Forced Labor Prevention Act Uyghur Forced Labor Prevention Act“, der 2021 in den USA erlassen wurde. Die Regierung in Peking sieht darin jedoch ein seit drei Jahren andauerndes „diskriminierendes“ Vorgehen ohne „faktische Grundlage“ und daher „unlautere Businesspraktiken“. Dazu muss man wissen, dass PVH wegen dieser Vorwürfe bereits seit September 2024 Thema einer Untersuchung ist.

Schwarz-weißer Minimalismus und spärliche Garderobe – so kennt man die Marke Calvin Klein seit Jahrzehnten
Schwarz-weißer Minimalismus und spärliche Garderobe – so kennt man die Marke Calvin Klein seit Jahrzehnten
© Calvin Klein

Nun sind staatliche Beschränkungen für die Produktion zu befürchten, den Verkauf, weitere kommerzielle Aktivitäten, Reisen und Investitionen. Auch Geldstrafen und der Entzug der Arbeitserlaubnis für ausländische Mitarbeiter sind möglich. An Präzedenzfällen mangelt es noch, da Firmen wie Lockheed Martin oder Raytheon Technologies, die früher auf der schwarzen Liste landeten, keine Präsenz in China hatten. In beiden Fällen ging es um Waffenverkäufe an Taiwan.

Für PVH könnte ein Ausschluss vom chinesischen Markt dagegen deutliche Einbußen bedeuten, im Jahr 2023 erzielte man dort sechs Prozent des Umsatzes und immerhin 16 Prozent des Gewinns vor Steuern und Zinsen. Laut Angaben über das dritte Quartal 2024 erzielte PVH Einnahmen von 2,255 Mrd. Dollar und wies bereits auf eventuelle negative Folgen der laufenden Ermittlungen in China hin, die zukünftige Betriebsergebnisse belasten könnten.

Gespräche über Calvin Klein vor dem 10. Februar

Die chinesische Regierung will nun vor Ablauf der Deadline das Gespräch mit PVH suchen, das seinerseits bereits eine konstruktive Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden angekündigt hat. Von einer Person allerdings braucht man sich bei PVH dabei keine Schützenhilfe erwarten: dem 47. Präsidenten der Vereinigten Staaten, Donald Trump. 

Dabei kennen sich beide Seiten gut, denn von 2004 bis 2015 war das Unternehmen Lizenznehmer und Produzent von Bekleidung unter dem Namen „Donald J. Trump Signature Collection“. Erst als sich der Wahlkämpfer Trump mehr als kontrovers über nicht-dokumentierte Einwanderer äußerte, und die Kaufhauskette Macy’s den Verkauf der Kollektion einstellte, kündigte PVH den Vertrag auf. Ein Schritt, den Trump kaum vergessen oder verziehen haben dürfte.

Dollar Zölle

Von den Querelen mit China sowie den Folgen schwelender Handelskonflikte und von Strafzöllen auf die Textil-Lieferketten und -preise einmal abgesehen, sieht die amerikanische Mode auch im Inland schwierigen Zeiten entgegen: als Toleranz-Botschafter, als Arbeitgeber und als Shopping-Destination.

Wenn es einen Wirtschaftszweig gibt, dem ein Ruf von „Sei du selbst“ vorauseilt, dann gehört diese Branche sicherlich dazu. Und zwar vor allem, wenn es um das Thema der Toleranz und Inklusion von Menschen geht, die sich in den Buchstaben LGBTQIA wiederfinden. Was nicht bedeutet, dass der kunterbunte, schrille Laufsteg ein Garant der Offenheit fürs Anderssein in den nicht-kreativen Abteilungen der Designhäuser und Modelabel gewesen wäre. Schon gar nicht, was die kulturelle und ethnische Diversität betrifft. Das führte vor Jahren zu Hashtags wie #fashionsowhite, einigen Shitstorms und nachfolgend mehr oder minder intensiven Bemühungen des jeweiligen Managements bei Labels wie Modemedien um mehr Vielfalt in der Belegschaft. 

Pride Month könnte zum Politikum werden

Nun jedoch regiert ein Präsident die USA, der das Thema „Diversity, Equity & Inclusion“, kurz: DEI, direkt nach seiner Wahl öffentlich abmoderiert und sich gerade auf Transmenschen regelrecht eingeschossen hat. Einige große Unternehmen wie Walmart haben ihrerseits derlei Programme bereits eingestampft, weitere werden folgen. Mit unter Umständen abschreckender Wirkung auf den Bewerber-Pool. Ebenso dürfte der Pride-Monat Juni, damit verbundene Events, Mode-Kollektionen sowie andere Sponsoring-Artikel in diesem Jahr zu einem echten Politikum und damit seltener werden. 

Wie verändert dieser starke Gegenwind die Designateliers, die Defilees auf den Fashion Weeks, das freie Spiel mit Trends auf Instagram, das Straßenbild und bewusst diverse Werbekampagnen? Bange Fragen, die sich vermutlich sehr bald beantworten lassen. So oder so.

Seit ein paar Monaten gehört die global erfolgreiche K-Pop-Gruppe StrayKids zu den Markenbotschaftern von Tommy Hilfiger
Seit ein paar Monaten gehört die global erfolgreiche K-Pop-Gruppe StrayKids zu den Markenbotschaftern von Tommy Hilfiger
© Tommy Hilfiger

Weiteres Ungemach kündigt sich beim Thema Zuwanderung für die Modebranche an. In den Berichten über angelaufene Deportationen „illegaler und krimineller Einwanderer“ durch die neue US-Regierung wird zwar oft einzig auf die drohende Knappheit von Arbeitskräften in der Landwirtschaft, im Baugewerbe und in Gastronomie sowie Hotellerie verwiesen. In der Tat arbeitet hier die Mehrheit der geschätzt 8,5 Millionen Immigranten ohne dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung oder Green Card. Doch laut einer Studie des Pew Research Center aus dem Jahr 2024 fallen auch 23,1 Prozent der Beschäftigten in der Bekleidungsindustrie in diese Kategorie. Das entspricht ungefähr 120.000 Mitarbeitern, die – vorbehaltlich erfolgloser juristischer Gegenwehr – bald an Nähmaschinen, in Logistikzentren und im Verkauf fehlen könnten.

Leidet der Tourismus?

Apropos: Noch ist es sicher zu früh, die Wirkung der zunehmend negativen Reputation der USA unter Donald Trump auf die Tourismusbranche und einkaufswillige Urlauber zu ermitteln. Gebuchte Trips werden vorerst sicherlich wie geplant angetreten. Aus Kanada hört man allerdings bereits von massenhaft stornierten Reisen, und das nach gerade mal zwei Wochen Amtszeit. 

Gut möglich, dass auch in anderen Ländern die Lust auf Urlaub in den USA rapide sinkt und dadurch den Modeketten und Designerboutiquen in Manhattan, in Beverly Hills oder den Outlet-Dörfern Floridas bald wichtige Käuferschichten aus dem Ausland fehlen. Das Trump’sche Versprechen, von den schwindelerregenden Siegen, die „sein“ Land bald in Serie feiern werde, es könnte für die Modebranche auf eine ernüchternde Realität prallen.

NL Die Woche