Russland: Putins Kriegswirtschaft stößt an ihre Grenzen

In Russlands Finanzsektor steigt die Nervosität: Es mehren sich schlechte Kredite für Rüstungsunternehmen, und die Zinsen gehen durch die Decke. Die Zentralbank steht wohl vor drastischen Schritten

Jan 17, 2025 - 07:39
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Russland: Putins Kriegswirtschaft stößt an ihre Grenzen

In Russlands Finanzsektor steigt die Nervosität: Es mehren sich schlechte Kredite für Rüstungsunternehmen, und die Zinsen gehen durch die Decke. Die Zentralbank steht wohl vor drastischen Schritten

Eine der vielen ungeschriebenen Regeln des russischen Alltags besagt: Wenn die Behörden sich die Mühe machen, ein Gerücht zu dementieren, dann muss wohl etwas dran gewesen sein. Folgt man dieser Prämisse, dann dürfte die russische Zentralbank zu Beginn der Woche in der Bevölkerung für einige Unruhe gesorgt haben. Die Bank wies öffentlich energisch zurück, dass es Pläne gebe, Bankeinlagen oberhalb von umgerechnet 10.000 US-Dollar einzufrieren.

In seinem Kanal beim Kurznachrichtendienst Telegram reagierte das Institut auf besorgte Fragen von Bürgern, die genau das zuvor im gleichen Medium gelesen hatten: „Diese Idee ist absurd“, hieß es von der Zentralbank. „Mit einem solchen Schritt würden nicht nur die Rechte von Bürgern und Unternehmen verletzt, über ihr Kapital zu verfügen. Er würde auch die Grundlagen des Bankensystems und die finanzielle Stabilität des Landes gefährden.“

Fast zehn Prozent Inflation in Russland

Dass die Gerüchte überhaupt aufgekommen waren, hat mit einer bemerkenswerten Entwicklung zu tun: Die Einlagen bei russischen Privatbanken sind in den vergangenen Monaten in die Höhe geschossen, weil die Institute extrem hohe Zinssätze anbieten – in einigen Fällen von bis zu 30 Prozent. Das wiederum ist eine Reaktion auf den hohen Leitzins, mit dem die Zentralbank versucht, die zunehmende Inflation in Russland zu bekämpfen. Auf 9,5 Prozent taxierte die Statistikbehörde Rosstat die Preissteigerung für das Jahr 2024, deutlich mehr als noch im Vorjahr.

Allerdings wächst der Druck auf die Währungshüter, ihren Leitzins zu senken, weil er es naturgemäß privaten Unternehmen schwerer macht, Kredite aufzunehmen. Sollte es also zu einer plötzlichen Zinssenkung kommen, könnten Bankkunden auch ihre Einlagen abziehen.

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Doch im Kern hat die Unruhe im russischen Finanzsektor noch einen ganz anderen Hintergrund. Trotz der hohen Leitzinsen nämlich ist das Kreditwachstum bisher ungebrochen, was wiederum die Inflation weiter anheizt. Nach Statistiken der Zentralbank sind die Kredite an die Unternehmen nicht nur nach oben gegangen, sondern innerhalb der vergangenen zwei Jahre geradezu explodiert. Der Russland-Experte und einstige Morgan Stanley-Banker Craig Kennedy hat den mutmaßlichen Grund dafür nun in einer ausführlichen Analyse dargelegt.

Zu Krediten gezwungen

Neben der offenen Finanzierung des Krieges gegen die Ukraine aus dem Staatshaushalt sei ein System entstanden, mit dem Banken dazu gezwungen würden, günstige Kredite an Unternehmen der Kriegswirtschaft zu vergeben. „Dieses Konzept führt dazu, dass der offizielle Staatshaushalt auf einem soliden Niveau bleibt“, schreibt Kennedy. „Damit entsteht der falsche Eindruck, dass Russlands Kapazitäten zur Kriegsfinanzierung auf Dauer belastbar sind.“

Das Problem liegt auf der Hand: Die Banken finanzieren Rüstungsbetriebe und andere Unternehmen, die die Infrastruktur für den Angriff bereitstellen zu deutlich günstigeren Konditionen als sie der Kapitalmarkt eigentlich hergeben würde. Zugleich müssen sie sich zu sehr hohen Zinsen refinanzieren. Auf Dauer dürfte das auch größere russische Finanzinstitute in eine Schieflage bringen. Es entwickle sich ein „destabilisierender Grundstock an toxischen Schulden, der sich im Markt für Unternehmenskredite ausbreitet“, schreibt Kennedy.

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Das Wachstum geht zurück

Die Situation wird für Russland dadurch erschwert, dass es der Wirtschaft des Landes insgesamt deutlich schlechter geht als noch vor einem Jahr. Das Wachstum geht zurück, während die Inflation galoppiert, was wiederum Unternehmen und Bürger davon abhält zu investieren. Auch der Rubel steht seit Monaten stark unter Druck. „In den vergangenen zwei Jahren war die russische Wirtschaft wie ein gedopter Marathonläufer unterwegs – und jetzt lässt die Wirkung dieses Dopings nach“, so Alexandra Prokopenko, die einst für die russische Zentralbank arbeitete und nun in Deutschland forscht. „Das Wachstum nimmt ab, wichtige Branchen schwächeln und die Behauptung, wonach Putins Wirtschaft unverwundbar ist, lässt sich kaum noch halten.“

Inzwischen wächst daher auch der Druck auf Zentralbankchefin Elvira Nabiullina, den hohen Leitzinssatz von 21 Prozent wieder zu senken. Aus einer Umfrage des staatlichen Wirtschaftsforschungsinstituts RAN geht hervor, dass fast 70 Prozent der befragten Unternehmen die Bank und deren hohe Zinsen für die sich verschlechternde Lage verantwortlich machen. Eine deutliche Zinssenkung aber könnte im russischen Bankensektor eine Spirale in Gang setzen – mit unabsehbaren Folgen.

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