Neuer Handelskrieg: Was Deutschland und Europa Trump entgegensetzen können
Wird Donald Trump Drohungen mit Zöllen wahr machen? Ein Handelskrieg würde die deutsche Wirtschaft in einer schwierigen Lage treffen. Europa ist den USA aber nicht wehrlos ausgeliefert
Wird Donald Trump Drohungen mit Zöllen wahr machen? Ein Handelskrieg würde die deutsche Wirtschaft in einer schwierigen Lage treffen. Europa ist den USA aber nicht wehrlos ausgeliefert
Das Damoklesschwert eines neuen Handelskriegs, das spätestens seit Donald Trumps parteiinternem Sieg als republikanischer US-Präsidentschaftskandidat über Deutschland schwebt, könnte ab Montag bittere Realität werden. Fast ein Jahr lang war Zeit, um sich darauf vorzubereiten. Nicht erst seit Trumps Wiederwahl im Herbst pochen Ökonomen auf eine einheitliche Strategie und wirtschaftliche Stärke, vermissen diese aber nach wie vor. Spätestens jetzt müssen Taten folgen, wenn der wirtschaftliche Schaden zumindest begrenzt werden soll.
„Wir müssen uns auf das 'Deal making' Trumps einstellen und für solche Verhandlungen vorbereitet sein“, stellt die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, auf ntv.de-Anfrage klar. „Dabei ist die beste Verhandlungsposition immer die des Stärkeren. Also müssen wir unsere Wirtschaft auf Kurs bringen, Europa stärken und konsistent sowie entschlossen auftreten.“
Ein weiterer Handelskrieg mit den USA würde Deutschland zur Unzeit treffen: Die Wirtschaft hängt in der Stagnation fest, die exportstarken Autobauer beispielsweise stecken ohnehin in einer Absatzkrise, und nach dem Ampel-Aus wird es wertvolle Monate bis zu Entscheidungen einer neuen Bundesregierung dauern. „Aufgrund der Neuwahlen und der konjunkturellen sowie strukturellen Probleme unserer Wirtschaft sind wir ganz gut mit uns selbst beschäftigt“, moniert Schnitzer. Die deutsche Wirtschaft ist „nicht gut vorbereitet auf einen US-Präsidenten, der mit Zollankündigungen und Forderungen nach Verteidigungsausgaben von mehr als fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts in seine zweite Amtszeit startet“.
Zuckerbrot und Peitsche von der EU
Eine gewisse Gelassenheit gibt Wirtschaftswissenschaftlern die Erfahrung aus Trumps erster Amtszeit. Bei seinen sprunghaften Entscheidungen scheint immerhin eines sicher: Die Unberechenbarkeit ist Teil von Trumps Verhandlungsstrategie. Die EU hat nach eigenen Angaben ihre Hausaufgaben dafür gemacht, eine Liste möglicher Gegenzölle soll bereits stehen. Die „Strategie von Zuckerbrot und Peitsche“ sei richtig, lobt Jürgen Matthes, der am arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) den Bereich Internationale Wirtschaftspolitik leitet, gegenüber ntv.de. „Im besten Fall hält die Drohung mit entschiedenen Vergeltungsmaßnahmen der EU gegen US-Exporte Trump von den Zöllen gegen EU-Produkte ab“, meint Matthes. „Aber auch das Angebot, mehr LNG und Waffen in den USA zu kaufen, gehört als Zuckerbrot dazu“ – vorausgesetzt, die USA verzichten auf Zölle gegenüber der EU.
Rolf Langhammer, der am Institut für Weltwirtschaft (IfW) Kiel zu internationalem Handel forscht, warnt davor, dass die EU nicht bei Drohungen bleibt, sondern die „Peitsche“ tatsächlich einsetzt: Deutschland sollte seiner Ansicht nach seinen Einfluss in Brüssel nutzen, um eine Eskalationsspirale von Vergeltungsmaßnahmen zu vermeiden, wie Langhammer ntv.de mitteilt. „Auf Aktionismus mit Gegenaktionismus zu reagieren, ist keine gute Politik, weil ja die Zweitrundeneffekte mit zu berücksichtigen sind, von denen Deutschland sogar profitieren könnte, sollte Trump andere Länder mit höheren Zöllen belegen als die EU.“
Der Ökonom schlägt einen anderen Weg vor: „Deutschland sollte auf die amerikanischen Unternehmen zugehen, die mit Direktinvestitionen stark in Deutschland vertreten sind“, und diese für die eigenen Interessen einspannen. Schließlich würde eine Schwächung Deutschlands diese ebenfalls treffen. Auch deutsche Investitionen in den USA könnten helfen, Protektionismus zu verhindern.
Trump könnte auf Teile-und-herrsche-Strategie setzen
Sabine Stephan, Leiterin des Referats Außenhandel und Handelspolitik im Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, setzt vor allem darauf, die Binnenwirtschaft zu stärken. „Um die negativen Auswirkungen der Trump-Zölle auf die eigene Wirtschaft auszugleichen, könnten Deutschland und Europa eine expansivere Finanzpolitik betreiben, etwa durch eine schnelle Umsetzung eines kreditfinanzierten öffentlichen Investitionsprogramms“, führt sie auf ntv.de-Anfrage aus. Ein Zollschock lasse sich so zu einem beträchtlichen Teil abfedern.
Für den entsprechenden finanziellen Spielraum bedürfe es einer Reform der Schuldenbremse. Das sieht auch Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) so, wie er im Gespräch mit ntv.de sagte: „Wenn wir keine Schulden machen dürfen, wie sollen wir uns dann wehren können?“
Fratzscher befürchtet wie Langhammer vom IfW, dass es der EU an Einigkeit gegenüber Trump fehlt. Diese Zerstrittenheit könne der neue US-Präsident „für eine Teile-und-herrsche-Strategie nutzen, indem er EU-Mitglieder untereinander ausspielt“, warnt Langhammer. Schon in seiner ersten Amtszeit sei er so verfahren.
Auf zu neuen Märkten?
Deutschland ist aufgrund seiner relativ schwachen Verhandlungsposition besonders auf eine gemeinsame europäische Antwort angewiesen. Die hiesige Abhängigkeit vom wichtigsten Handelspartner USA ist in den vergangenen Jahren nochmal gewachsen, wie IMK-Expertin Stephan betont: „zum einen als Absatzmarkt für deutsche Exporte, aber auch als Energielieferant von Flüssiggas“. Auf Letzteres setzt Deutschland seit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine.Aktien, Gold & Anleihen fürs Depot: So legt man sein Geld sinnvoll an - Capital.de
Langhammer sieht Deutschland auch wegen eines fehlenden direkten Drahts zu Trumps Team schlecht auf dessen zweite Amtszeit vorbereitet. Der Ökonom empfiehlt, neue Allianzen für die Handelsordnung zu bilden, um die Kosten für die USA hochzuhalten: „Für die deutsche Wirtschaft sind die USA der wichtigste Exportmarkt. Wird der Zugang zu diesem Markt erschwert, muss die deutsche Wirtschaft andere Märkte, insbesondere in Schwellen- und Entwicklungsländern erschließen.“ Von der Politik könne dafür – über die Welthandelsorganisation – Rückendeckung kommen.
Der IfW-Experte erwartet aber auch, dass Trump Maßnahmen am Ende wieder zurücknehmen wird. Denn es sei unbestritten, dass dessen Zollpolitik den USA mittelfristig schade: „höhere Inflation, Belastung exportorientierter Sektoren, Verlust von Wettbewerbsfähigkeit der weiterverarbeitenden Industrien, negative Verteilungswirkungen“.
Deutsche Jobs und BIP bedroht
Trumps Protektionismus könnte sich allerdings auch als positiv für die USA erweisen, wie IW-Experte Matthes bedauert. Für die Unternehmen, die im Fall von Zöllen mit Absatz- oder Gewinneinbußen rechnen, steige der Anreiz, Produktion in die USA zu verlagern. „Es könnte mittelfristig zu einer Abwanderung starker Exporteure kommen – zum Schaden des deutschen Standorts. Das ist unsere größte Sorge.“
Eine Abwanderung in die USA würde hierzulande auch Arbeitsplätze kosten. Das IMK sieht in „merklichen Beschäftigungsverlusten“ die größte Gefahr für die deutsche Wirtschaft. Diese drohen laut Stephan, wenn ein Nachfrageausfall aus dem Ausland nicht durch eine expansivere Finanzpolitik abgefedert werde. „Andererseits wäre es ähnlich nachteilig, wenn Trumps Forderungen nach sehr hohen Rüstungsausgaben zu Kürzungen an anderer Stelle führen würden. Denn dann würden entweder der binnenwirtschaftliche Nachfrageausfall oder Verteilungskonflikte die Wirtschaft lähmen.“Steuererklärung: Aktien, Fonds, Anleihen von der Steuer absetzen - Capital.de
Gefahr einer weiteren Rezession
Gelinge es Europa nicht, mit einer Stimme zu sprechen, „wird es schwierig für die deutsche Wirtschaft, eine Rezession zu vermeiden“, warnt die Ökonomin. Matthes vom IW prognostiziert: Ein Szenario mit gegenseitigen Zusatzzöllen zwischen den USA und der EU von 20 Prozent und einem 60-prozentigen Zusatzzoll der USA aus China würde das Niveau der deutschen Wirtschaftsleistung preisbereinigt am Ende der Amtszeit Trumps im Jahr 2028 um bis zu 1,5 Prozent niedriger ausfallen lassen.“ Auch die Investitionen der deutschen Unternehmen würden beeinträchtigt.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) prognostiziert für Deutschland in diesem Jahr erneut das schwächste Wachstum unter den führenden westlichen G7-Industriestaaten. Die deutsche Wirtschaftsleistung werde nur um 0,3 Prozent wachsen – 0,5 Punkte weniger als noch im Oktober vorhergesagt. Denn eine Verschärfung protektionistischer Politik könnte Handelsspannungen verschärfen, Investitionen senken, Handelsströme verzerren und Lieferketten erneut unterbrechen. Für die USA dagegen sieht es demnach gut aus: Unter Trump würden diese wesentlich stärker wachsen als bisher gedacht: um 2,7 Prozent.
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