Markus Väth: Gefühlsduselei ist kein Argument

In Diskussionen geht es heutzutage immer hitziger zu. Das Schlimme daran: Argumente werden nicht mehr faktenbasiert ausgetauscht, sondern auf Grundlage von Gefühlen. Das sollte auch Unternehmen beunruhigen

Feb 6, 2025 - 18:50
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Markus Väth: Gefühlsduselei ist kein Argument

In Diskussionen geht es heutzutage immer hitziger zu. Das Schlimme daran: Argumente werden nicht mehr faktenbasiert ausgetauscht, sondern auf Grundlage von Gefühlen. Das sollte auch Unternehmen beunruhigen

Wenn ich in letzter Zeit mit Bekannten diskutiere, werden sie schnell grundsätzlich. Egal ob es um Klimawandel, Politik oder die Zukunft ihrer Firma geht: So oder so müsste man es machen, nur ein Idiot würde es anders sehen. Es ist eine gewisse Unerbittlichkeit in die Auseinandersetzung eingezogen; man glaubt noch in der kleinsten Angelegenheit, das Überleben der Menschheit hinge davon ab.

Würde diese Unerbittlichkeit auf Fakten basieren, hätten harte Auseinandersetzungen wenigstens eine rationale Grundlage. Immer öfter jedoch sehen Menschen nicht mehr Argumente als entscheidend für ihre Meinungsbildung an, sondern ihre Gefühle. Etwas stört mich emotional, also muss es objektiv falsch sein. Und weil es falsch ist, muss es „weg“ – was immer „weg“ dann meint: von der Diskussion ausschließen („deplatforming“), entlassen, wegsperren, öffentlich vernichten.

Gefühlsduselei ist ein Zeichen intellektueller Armut

Das eigene Gefühl zum Maß einer argumentativen Beurteilung zu machen, halte ich persönlich für ein Zeichen von Dummheit. Nur Menschen, die entweder keine Argumente haben oder ideologisch verblendet sind, machen ihre eigenen Gefühle zum alleinigen Maßstab der Beurteilung anderer. Die Ablehnung und Diffamierung Andersdenkender ist die moderne Version des mittelalterlichen „Mir gefällt dein Gesicht nicht, also macht es Bekanntschaft mit meiner Keule“.

Diese grassierende Armut an Argumentation und die damit zum Ausdruck gebrachte intellektuelle Dummheit sollte auch Unternehmen beunruhigen. Wie kann man Menschen Verantwortung übertragen, die in alltäglichen Auseinandersetzungen ausrasten, weil sie ihre Gefühle verletzt sehen? Das ist nicht professionell, sondern Kindergarten-Niveau. Man möchte diesen Leuten zurufen: Reißt euch am Riemen! Eure Weltsicht ist nicht die Welt. Die Karte ist nicht die Landschaft, wie wir in der Organisationsentwicklung sagen.

Eine sachliche Kritik ist kein „Trauma“

Davon ausgenommen sind Phänomene, die nachgewiesenermaßen tatsächlich ein sensibles Vorgehen erfordern, weil sie tief in die menschliche Psyche eingreifen: Mobbing etwa, psychische Beeinträchtigungen, Traumata. Doch von diesen Einzelfällen handelt diese Kolumne nicht, sondern von den Gekränkten, Rechthabern, Ideologen, die anderen Menschen ihren Willen aufzwingen wollen. Nicht weil sie die besseren Argumente haben, sondern weil sie sich selbst als „Opfer“ identifizieren und inszenieren.Homeoffice: „Der Zwang zu Präsenz ist das Gegenteil von Kultur“ - Capital.de

Wie stark sich emotionale Opfermentalität inzwischen in unser Denken eingenistet hat, sieht man am völlig unreflektierten Gebrauch klinisch-psychologischen Vokabulars: „Trauma“, „Trigger“, alles mit „toxisch“ etc. Um es klar zu sagen: Diese Begriffe haben dort nichts zu suchen, wo es um allgemeine Befindlichkeiten geht. Sie sind in unserer Alltagssprache zu Kampfbegriffen mutiert, um die eigenen unzulänglichen Bewältigungsmechanismen zu verdecken.

Lernt argumentieren, nicht lamentieren

Andere Menschen nur aufgrund der eigenen Befindlichkeiten be- und verurteilen, ist schäbig und unfair, verlagert es doch den argumentativen Beweis in das nicht nachprüfbare Reich des eigenen Gefühls. Wir sollten diese Unsitte schleunigst abstellen und den professionellen Opfern und Ideologen aller Seiten und Themen keine Bühne mehr bieten. Oder wie es beim guten alten FBI heißt: Just the facts, Ma'am!

Zum_Autor_Markus_Väth