Gunnar Groebler: Salzgitter-Chef pocht auf Planungssicherheit bei Umstieg auf Wasserstoff
Trotz Milliardensubventionen gibt es große Zweifel an der Wasserstoff-Technologie. Salzgitter-Chef Groebler widerspricht und warnt vor „großen Schwierigkeiten“ für die Stahlbranche bei einem Kurswechsel
Trotz Milliardensubventionen gibt es große Zweifel an der Wasserstoff-Technologie. Salzgitter-Chef Groebler widerspricht und warnt vor „großen Schwierigkeiten“ für die Stahlbranche bei einem Kurswechsel
Capital: Herr Groebler, aktuell gibt es große Unsicherheit bei Unternehmen über langfristige Investitionsvorhaben. Sie selbst investieren bei Salzgitter gerade mehr als 2 Mrd. Euro in den Umstieg auf eine Stahlproduktion mithilfe von Wasserstoff. Befürchten Sie nicht, dass die nächste Bundesregierung alle Pläne und Vorhaben der Vorgängerregierung über den Haufen wirft?
GUNNAR GROEBLER: Auf die neue Bundesregierung werden viele neue wie auch bekannte Herausforderungen zukommen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass es nach dem 23. Februar 2025 klare Verhältnisse und eine stabile Regierung in Berlin gibt. Gerade jetzt, in der Zeit des strukturellen Wandels, in der viele Unternehmen Milliarden in ihre Transformation stecken, müssen sie fest darauf bauen können, die erforderliche Stabilität und Sicherheit von der Politik zu erhalten.
Danach sieht es gerade aber nur bedingt aus. Viele Regierungen in Europa und allen voran die neue Administration in den USA nehmen Abstand von dem Plan, die Industrie – weg von Kohle und Gas – auf eine CO2-neutrale Produktion umzustellen.
Eine Hängepartie können wir uns in Europa aber nicht länger leisten! Wir brauchen langfristige und beständige Lösungen und das über die Parteigrenzen und Legislaturperioden hinweg. Gunnar Groebler
Was brauchen Sie künftig noch, damit auch die energieintensive Industrie wie etwa die Stahlproduktion in Deutschland eine Zukunft hat?
Die Ampel-Koalition hat vieles angestoßen; viele Themen sind aber auch nicht umgesetzt worden oder waren in dieser Konstellation schlicht nicht konsensfähig. Dazu gehört beispielsweise eine Begrenzung der Netzentgelte und ein wettbewerbsfähiger Industriestrompreis. Klar ist: Wir befinden uns wirtschaftlich in einer dramatischen Abwärtsspirale und es braucht jetzt dringend neue politische Impulse. Wie ernst die Lage für die europäische Wirtschaft ist, haben uns erst vor Kurzem die schonungslose Analyse des Draghi-Reports und der BDI-Studie anschaulich beschrieben. Fast die Hälfte der energieintensiven Industrien ist danach akut bedroht. Falls es noch eines Weckrufs bedufte, ist er spätestens mit dem Wahlausgang aus den USA gekommen.
Konkreter bitte: Was wäre notwendig – neue Förderprogramm etwa?
Angesichts der haushälterischen Situation des Bundes sind meine Erwartungen bezüglich neuer großer Förderprogramme begrenzt. Aber zugesagte Förderungen müssen beibehalten werden. Rechts- und Planungssicherheit sind unabdingbar. Wir als Salzgitter AG haben einen ersten Transformationsvertrag mit dem Bund geschlossen – wir leisten das von uns vertraglich Zugesagte und setzen darauf, dass auch die Politik ihren Teil verlässlich einhält. Ein Umkehren auf dem politischen Transformationspfad würde uns und andere Unternehmen, die bereits in ihre Transformation investieren, in große Schwierigkeiten bringen mit der Gefahr von „Stranded assets“.
Gerade beim geplanten Umstieg auf und der Versorgung mit Wasserstoff hat es einige Verzögerungen gegeben. Wie zuversichtlich sind Sie, dass Sie tatsächlich schon bald Wasserstoff in nennenswertem Umfang für die Stahlproduktion nutzen können?
Wir starten in Salzgitter planmäßig 2026 mit der Produktion von grünem Stahl und werden dafür zunächst den Wasserstoff aus unserer eigenen 100 MW -Elektrolyse einsetzen. Die Planungen für das Wasserstoffkernnetz sehen vor, dass wir 2029 angeschlossen werden. Wenn dann extern produzierter grüner Wasserstoff technisch und ökonomisch verfügbar ist, werden wir den Anteil sukzessive hochfahren. Der Vorteil unseres Transformationsprogramms „Salzgitter Low CO2 Steelmaking“ ist es, neben Wasserstoff auch Erdgas in flexiblen Anteilen in der Direktreduktion des Eisenerzes einsetzen zu können. Selbst bei reinem Einsatz von Erdgas lässt sich mit den neuen Anlagen schon eine CO2-Minderung gegenüber der kohlebasierten Hochofenroute von etwa 60 Prozent erreichen.
Gleichwohl wird der grüne Stahl, den Sie künftig in Salzgitter produzieren, in einer Übergangsphase deutlich teurer sein als konventioneller Stahl. Was muss passieren, damit Stahl, der mit Wasserstoff hergestellt wurde, auch einen Markt in Deutschland findet?
Die aktuelle wirtschaftliche Lage der Stahlindustrie ist von einer schwachen konjunkturellen Entwicklung in wichtigen Kundenbranchen geprägt. Gleichzeitig gibt es hohe Importe von Dumping-Stahl im Europäischen Markt. Hier ist die EU gefordert, Schutzmechanismen aufrechtzuerhalten oder gar zu schärfen. 21-07-2024 Salzgitter ITV Text
Und was müsste die kommende neue Regierung in Deutschland tun?
Besonders unsere heimische energieintensive Industrie ist von hohen Strompreisen belastet. Hier sollte dringend Abhilfe geschaffen werden, und zwar mit einem Industriestrompreis, wie ihn beispielsweise Frankreich hat. Und auch die Absenkung der Netzentgelte ist mehr als nötig, um die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen zu erhalten.
Was ist mit der öffentlichen Hand als Abnehmer des neuen Stahls? Zuletzt gab es Klagen aus der Branche, der Bund fördere zwar den Umstieg der Stahlwerke mit Milliarden, wolle anschließend aber nicht die höheren Preise für den grünen Stahl bezahlen…
Richtig, ein weiterer wichtiger Schritt für den Erfolg von grünem Stahl ist die Etablierung grüner Leitmärkte. Hier kann beispielsweise die öffentliche Hand einen Rahmen setzen und Grünstahlquoten bei öffentlichen Ausschreibungen festsetzen. Auch die Anrechenbarkeit der Verwendung von Grünstahl in der Automobilproduktion auf den CO2-Foodprint wäre ein weiterer wichtiger Schritt, um die Flottengrenzwerte zu erreichen und somit grünen Stahl im Markt zu etablieren.
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