Flammschutzmittel: Die unnötige Panik um Pfannenwender – Eine Studie und ihre Folgen
Seit eine Studie giftige Flammschutzmittel in schwarzen Küchen-Utensilien fand, ist die Aufregung groß. Ein Experte erklärt, warum uns das Ergebnis dennoch wenig Sorgen machen muss
Seit eine Studie giftige Flammschutzmittel in schwarzen Küchen-Utensilien fand, ist die Aufregung groß. Ein Experte erklärt, warum uns das Ergebnis dennoch wenig Sorgen machen muss
Die Meldung klingt dramatisch: Forschende aus den USA und den Niederlanden haben in schwarzen Pfannenwendern aus Plastik giftige bromierte Flammschutzmittel gefunden. Beim Kochen könnten diese ins Essen gelangen. Der prüfende Blick in die Besteckschublade vieler Menschen hierzulande dürfte offenbaren: Sie haben genau solche Pfannenwender zu Hause. Sind die Küchenutensilien also eine Gefahr für die Gesundheit, gar ein Fall für den Sondermüll? Ein Experte vom Bundesinstitut für Risikobewertung erklärt, warum das Risiko in Deutschland trotz allem äußerst gering ist.
Zunächst zur Studie: Die Forschenden haben 203 Haushaltsutensilien aus schwarzem Plastik gekauft und getestet. In rund zehn Prozent der Produkte fanden sie Hinweise auf bromierte Flammschutzmittel, darunter auch auf das inzwischen verbotene deca-BDE. Zum Zeitpunkt der Publikation im Oktober 2024 schrieben sie, die Menge an gefundenen Flammschutzmitteln läge über dem US-Grenzwert und sei insbesondere bei den untersuchten Küchenutensilien bedenklich.
Wie gelangen Flammschutzmittel überhaupt in Pfannenwender?
Die Forschenden vermuten, dass die Chemikalien ursprünglich im schwarzen Plastik von Fernsehern und Displays eingesetzt wurden und über den Recyclingprozess in die Haushaltsutensilien gelangten. Sie warnen, dass Flammschutzmittel schwere gesundheitliche Schäden wie Krebs und Entwicklungsstörungen verursachen können. Zahlreiche Medien, auch in Deutschland, berichteten über die Studie. Schließlich werden Pfannenwender und anderes Kochzubehör international gehandelt und könnten theoretisch auch in die EU und nach Deutschland gelangen. Eine Zeitschrift rief sogar dazu auf, sämtliche schwarzen Pfannenwender zu entsorgen.
GEO2209_Chemikalien in meinem Körper
Im Januar ruderten die Studienautoren dann zurück und schrieben, die Konzentration läge nur bei rund einem Zehntel des Grenzwertes. Da war der Verdacht aber schon in der Welt. Zumal dies nicht die einzige Studie dieser Art war. Schon zuvor wurden Überreste von Flammschutzmittel in schwarzem Kochbesteck aus Plastik gefunden, auch in Europa. Besteht also doch eine Gefahr, sich beim Wenden des Schnitzels in der Pfanne schleichend zu vergiften?
In Deutschland verkaufte Pfannenwender sind nicht betroffen
"Nein", widerspricht Sebastian Zellmer aus der Fachgruppe Sicherheit von Lebensmittelkontaktmaterialien beim Bundesinstitut für Risikobewertung. "Nach unseren Recherchen sind hierzulande bislang keine Flammschutzmittel in Küchenutensilien aufgetaucht." Zellmer beruft sich auf Untersuchungen des TÜV Rheinland. Der TÜV analysiert im Auftrag großer Hersteller Produkte und prüft, ob sie konform mit den Rechtsvorschriften in der EU sind.
Darin ist zum Beispiel geregelt, welche Stoffe in Plastik enthalten sein dürfen, das in Kontakt mit Lebensmitteln kommt. Flammschutzmittel gehören nicht dazu. Außerdem ist vorgeschrieben, dass dieses Plastik für Verbraucher sicher sein muss. Im Falle von Recyclingmaterial bedeutet das, es muss aufwendig gereinigt und von sämtlichen unerwünschten Stoffen befreit werden. Darüber hinaus muss auf der Verpackung gekennzeichnet sein, aus welchen Quellen recyceltes Plastik stammt und wo es verarbeitet wurde – inklusive Chargennummer, damit sich etwaige Verunreinigungen zurückverfolgen lassen. Wenn sich alle Hersteller und Rohstofflieferanten an diese EU-Vorschriften halten, sollten keine bromierten Flammschutzmittel in Pfannenwendern zu finden sein, so Zellmer.
Genau das ist in Deutschland auch der Fall, wie die Stiftung Warentest bestätigt. Nach Erscheinen der amerikanisch-niederländischen Studie hatte sie 26 in der EU erhältliche Pfannenwender getestet – und nichts gefunden. Die Prüfer schreiben: "Dass Küchengeschirr aus schwarzem Kunststoff in der EU mit bromierten Flammschutzmitteln verunreinigt ist, lässt sich zwar nicht vollends ausschließen. Die Testergebnisse sowie die EU-Gesetzeslage für den Einsatz recycelter Materialien deuten aber darauf hin, dass dies äußerst unwahrscheinlich ist."
Produkte werden stichprobenartig kontrolliert – und bei Bedarf zurückgerufen
Theoretisch wäre es zwar möglich, dass vereinzelte schwarze Schafe der Produktion heimlich billiges, kontaminiertes Recycling-Granulat beimischen. Aber die Gefahr aufzufliegen ist hoch. Denn die Landesüberwachungsämter kaufen und testen stichprobenartig Produkte, die in der EU auf dem Markt sind. Alle kritischen Funde werden im Internetportal "Safetygate" (auf Englisch) vermerkt und sofort zurückgerufen. Rückrufe in Deutschland sind hier einsehbar.
Bei Pfannenwendern, die etwa im asiatischen Raum hergestellt wurden und nicht den EU-Vorschriften unterliegen, ist das Risiko für Verunreinigungen insgesamt etwas höher. Doch auch diese kontrolliert der Zoll bei der Einfuhr stichprobenartig auf Schadstoffe und stoppt gegebenenfalls die Einfuhr, so Zellmer.
GEOplus Lebensmittelsicherheit
Angenommen, man geriete durch einen unglücklichen Zufall dennoch, trotz aller Kontrollen, an einen der kontaminierten Pfannenwender, die in der Studie untersucht wurden. Welche Folgen hätte das? "Flammschutzmittel sind fettlöslich und können sich durch Hitzeeinwirkung beim Kochen herauslösen und ins Essen gelangen", erklärt Zellmer. "Ein Risiko bestünde aber nur, wenn Sie über lange Zeit jeden Tag mindestens zehn Mal ein Schnitzel mit diesem Pfannenwender braten und essen." Denn die gefundenen Werte lagen in der Studie nur bei einem Zehntel des Grenzwerts, ab dem gesundheitliche Schäden nicht mehr ausgeschlossen werden können.
Allzu verschlissene Pfannenwender sollte man trotzdem ersetzen
Wer etwaige Risiken dennoch minimieren will, kann vermeiden, den Pfannenwender allzu lange in der heißen Pfanne liegen oder ihn gar mit der Sauce kochen zu lassen. "Egal ob Plastik, Holz oder Metall: Bei längerem Gebrauch werden sich immer kleinste Mengen des Materials und chemische Verbindungen aus dem Kochgeschirr lösen und ins Essen gelangen", sagt Zellmer. Wenn man Küchenutensilien jedoch nur so verwendet, wie es in der Gebrauchsanleitung steht, stellt dies kein Gesundheitsrisiko dar.
Und Zellmer hat noch einen Tipp: "Verfärbte, klebrige oder chemisch riechende Plastikutensilien sollte man tatsächlich entsorgen und durch neue ersetzen." All das seien Hinweise, dass sich das Material chemisch verändere. Und das ist dann wirklich bedenklich. "Fragen Sie sich selbst, ob Sie den Pfannenwender in seinem jetzigen Zustand noch mal kaufen würden. Wenn die Antwort Nein lautet, dann brauchen Sie einen neuen."
What's Your Reaction?