Energiewende: So teuer machen Dunkelflauten den Strom
Ohne Wind und Sonne herrscht in Deutschland die sogenannte Dunkelflaute. Konventionelle Kraftwerke müssen dann ans Netz – und das kann teuer werden
Ohne Wind und Sonne herrscht in Deutschland die sogenannte Dunkelflaute. Konventionelle Kraftwerke müssen dann ans Netz – und das kann teuer werden
Was ist eine Dunkelflaute?
Bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien hat Deutschland im vergangenen Jahr einen Rekord erzielt: Knapp 60 Prozent des Stroms stammten aus regenerativen Quellen. Für die Befürworter der Energiewende ist das ein Beweis, dass der Umbau auf klimafreundliche Stromerzeugung funktioniert. Mit dem Ausbau von Wind- und Solarenergie wächst aber auch die Abhängigkeit von diesen Energieträgern.
Was passiert, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint – was im Winter hierzulande häufiger vorkommt? Der Begriff Dunkelflaute hat sich für solche Lagen durchgesetzt. Kommt es zu so einer Situation, werden Gaskraftwerke, aber auch klimaschädlichere Kohle- und Ölkraftwerke hochgefahren, um das Risiko eines Blackouts auszuschließen. Bundesnetzagentur und Energieversorger betonen immer wieder, dass die Kapazitäten ausreichend sind und niemand befürchten muss im Dunklen zu sitzen. Außerdem kann Strom ja auch importiert werden.
Nach Angaben des Wirtschaftsinformationsdienstes Bloomberg laufen die konventionellen Kraftwerke derzeit auf Hochtouren, um die Ausfälle bei Wind- und Solarenergie kompensieren zu können. Auch die französischen Atommeiler produzieren mehr Strom als üblich, weil wegen der niedrigen Temperaturen, die Stromnachfrage auf ein Vierjahreshoch gestiegen ist. In Frankreich wird anders als in Deutschland mehr mit Strom geheizt.
Welche Auswirkungen hat die Dunkelflaute auf den Strompreis?
Der von den alten Kraftwerken erzeugte Strom ist teuer. Was das für Folgen haben kann, ließ sich am 6. November beobachten, als bei einer Dunkelflaute der Strompreis auf mehr als 800 Euro pro Megawattstunde hochschnellte. Allerdings war dies nur ein kurzer Ausschlag nach oben. Auch im Dezember schoss der Preis kurzfristig nach oben – bis auf 1156 Euro pro Megawattstunde. Im Jahresverlauf pendelte der Börsenstrompreis am EPEX-Spotmarkt im Monatsdurchschnitt zwischen 61,34 Euro pro Megawattstunde im Februar und 113,91 Euro im November.
Der Preissprung im Dezember rief sogar das Bundeskartellamt auf den Plan. Es werde „die Preisbildung am Strommarkt fortlaufend und engmaschig“ beobachten, sagte Behördenchef Andreas Mundt der „Rheinischen Post“. Der Verdacht: Der Preis wurde gezielt in die Höhe getrieben, weil zu wenige Kraftwerke am Netz waren.
Welche Auswirkungen haben Dunkelflauten auf Privathaushalte?
Die meisten Privathaushalte bekommen von solchen Preisspitzen nichts mit. Sie beziehen ihren Strom zu festen Tarifen, die nicht von den Schwankungen des Börsenstrompreises betroffen sind. Eine Ausnahme sind die Kunden mit flexiblen Tarifen, die solche Schwankungen mitmachen. Ihr Strompreis variiert im Tagesverlauf. Sie sparen Geld, wenn sie ihre Waschmaschine dann laufen lassen, wenn der Preis niedrig ist. Aber sie zahlen eben auch drauf, wenn Strom plötzlich teurer wird.
Müssen Unternehmen in solchen Phasen den höheren Strompreis zahlen?
Betroffen von den hohen Preisen sind vor allem energieintensive Firmen beispielsweise aus der Gießereiindustrie. Sie beziehen Strom über den Spotmarkt, weil das für sie im Normalfall günstiger ist als ein fixer Tarif. Die Preisspitzen überfordern jedoch diese Betriebe. Die Gießerei Siempelkamp in Krefeld etwa musste im Dezember die Produktion drosseln, als der Strompreis durch die Decke ging. Und sie war nicht der einzige Betrieb, dem es so erging. NL Die Woche
Kurzfristige Besserung ist nicht in Sicht: „Es ist nicht ausgeschlossen, dass in den nächsten Wochen ähnlich markante Preisausschläge auftreten“, teilte die Bundesnetzagentur mit. Sie und auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) weisen immer wieder auf den preisdämpfenden Effekt der erneuerbaren Energien hin – wenn die Sonne scheint und der Wind weht. „Wir werden in der Zukunft immer wieder zwei, drei Wochen haben, in denen die Strompreise sehr hoch sind“, sagte er auf dem „Handelsblatt“-Industriegipfel. Aber es gebe eben auch 50 Wochen mit niedrigen Strompreisen.
Wie lassen sich Dunkelflauten vermeiden?
Komplett werden sich Dunkelflauten im deutschen Energiesystem nicht vermeiden lassen. Energieversorger und Experten fordern allerdings einen Ausbau des Backup-Systems, um die Folgen besser und zuverlässiger abfedern zu können. Bereits im November schlug RWE-Chef Markus Krebber Alarm. „Diese sehr hohen Preise sind eine absolut sichere Indikation für den Zustand der Versorgungssicherheit in Deutschland. Sie sind Ergebnis des zu knappen Angebots“, schrieb er auf Linkedin. Der Zubau dränge und das schon seit längerer Zeit.
Ähnlich äußerte sich EnBW-Finanzvorstand Thomas Kusterer im Podcast Klima-Labor von ntv. „Es ist jetzt wirklich Zeit, wasserstofffähige Gaskraftwerke zu bauen, statt den maximalen Ausbau der erneuerbaren Energien zu forcieren“, sagte er. Für ein funktionierendes Reservesystem sei der Bau von Gaskraftwerken mit einer Kapazität von 20 Gigawatt notwendig. Das kostet Geld: Kusterer geht von 20 Mrd. Euro aus.
Die Ampelkoalition wollte das Problem mit ihrem Kraftwerkssicherheitsgesetz angehen. Kurzfristig sollten neue Kraftwerkskapazitäten im Gesamtumfang von bis zu 10 Gigawatt ausgeschrieben werden. Doch das Gesetz kommt nach dem Auseinanderbrechen der Koalition nicht.
Hilft Atomenergie während der Dunkelflaute?
Die Reaktivierung von abgeschalteten Atomkraftwerk bringt nach Expertenansicht kurzfristig keine Entlastung. Geschultes Personal fehle und die Anlagen hätten nicht mehr die notwendigen Sicherheitsgenehmigungen, so Malte Küper vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. „Außerdem zeigen die Betreiber wenig Interesse daran, wieder einzusteigen“, so Küper im Interview mit der „Stuttgarter Zeitung“.Diese 15 Aktien könnten bald zu den Dividenden-Stars zählen - Capital.de
„Kurz- bis mittelfristig ist die Kernenergie in Deutschland vorbei“, sagt auch EnBW-Finanzvorstand Kusterer. Der Wiedereinstieg müsste politisch entschieden werden. „Dann muss man aber auch den Rahmen dafür schaffen, das Risikoprofil und die Wirtschaftlichkeit prüfen. Aber um es deutlich zu sagen: Das hat frühestens in 20 Jahren Relevanz“.
Was ist mit Batteriespeichern?
Batterien als Zwischenspeicher können einen wichtigen Beitrag leisten, um die Nachteile der erneuerbaren Energien auszugleichen. „Batterien können sehr viel Strom in kurzer Zeit liefern“, sagte Lion Hirth, Professor für Energiepolitik an der Hertie School in Berlin Capital. Laut dem Fraunhofer-Institut werden in Deutschland bis 2030 etwa 100 Gigawattstunden elektrischer Speicherkapazität benötigt. Wegen des Preisrückgangs bei Lithium-Ionen-Akku werden solche Großspeicher wirtschaftlich immer attraktiver. Die Anlagen haben einen weiteren Vorteil: Anders als ein Kraftwerk, das hochgefahren werden muss, fließt der Strom aus dem Speicher unmittelbar ins Netz.
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