Dank KI-Boom: Begehrte Internetadresse macht Karibikstaat Anguilla reich
Die karibische Insel Anguilla hat eine Domain-Adresse im Internet, die bei KI-Unternehmen sehr begehrt ist. Manch ein Unternehmen zahlt für die Domain-Endung ".ai" 100.000 US-Dollar
Die karibische Insel Anguilla hat eine Domain-Adresse im Internet, die bei KI-Unternehmen sehr begehrt ist. Manch ein Unternehmen zahlt für die Domain-Endung ".ai" 100.000 US-Dollar
Als vor 30 Jahren einzelnen Ländern ihre Top-Level-Domain zugeteilt wurde, hat sich auf Anguilla bestimmt niemand darum geschert, welche Buchstaben zukünftig ganz am Ende der Internetadressen des Landes stehen würden. Deutschland hatte schon ".de", die USA ".us" und Anguilla sollte nun eben das Kürzel ".ai" erhalten.
Zu jener Zeit konnte niemand ahnen, dass diese beiden Buchstaben irgendwann in aller Munde sein würden. Dass Künstliche Intelligenz, auf Englisch "artificial intelligence", abgekürzt AI, der nächste technologische Quantensprung sein würde. Und dass Unternehmen auf der ganzen Welt zum Teil viel Geld dafür bezahlen werden, um diese beiden Buchstaben an ihre Webadresse anhängen zu dürfen. Im Jahr 2023 erwirtschaftete Anguilla mit dem Kürzel umgerechnet etwa 30 Millionen Euro.
Anguilla ist britisches Überseegebiet – Industrie gibt es kaum
Verglichen mit den Milliarden, die in die Weiterentwicklung der Künstlichen Intelligenz investiert werden, klingen 30 Millionen vielleicht zunächst nicht überwältigend viel. Für Anguilla sind die Einnahmen allerdings ein Segen. Anguilla ist eine Insel in der Karibik, aus Kalkstein und Korallen gebaut, und nur 91 Quadratkilometer groß. Etwas mehr als 15.000 Einwohner leben dort, auf den Banknoten des Ostkaribischen Dollars, mit dem sie bezahlen, ist immer noch die verstorbene britische Königin Elisabeth II. abgebildet. Anguilla ist ein britisches Überseegebiet. Industrie gibt es kaum auf dem Eiland, dafür aber Korallenriffe, palmengesäumte Sandstrände, drumherum türkisblaues Meer. Anguilla lebte viele Jahrzehnte allein vom Tourismus.
Im Jahr 1995 erhielt die Insel ihre Top-Level-Domain, angelehnt an ihren Namen. Zehn Jahre zuvor, in der Frühzeit des Internets hatten die ersten Länder spezifische Kennungen erhalten. Ähnlich wie die Kürzel auf den Nummernschildern im Straßenverkehr sollten auch die Domain-Namen jeder Nation eine eindeutige Präsenz im Internet verleihen. Sie werden hauptsächlich für Webseiten aus dem jeweiligen Land verwendet.
Zuständig für die Koordination der Top-Level-Domains ist eine Organisation namens ICANN mit Sitz in Los Angeles. Das einzelne Länderkürzel zu großem Ruhm gelangen, ist keine Neuheit. Die Föderierten Staaten von Mikronesien schreiben .fm ans Ende ihrer Internetadresse, das passt allerdings auch sehr gut zu Radiosendern. Und der ebenfalls im Pazifik gelegene Inselstaat Tuvalu bekam bei der Vergabe die Endung .tv ab. Fernsehsender und Streaminganbieter weltweit haben ebenfalls Interesse, ihre digitale Adresse unter dieser Domain registrieren zu lassen.
Den Urknall verstehen: Wie aus dem Nichts die Welt entstand
Der Boom für Anguilla begann, als die Entwicklerorganisation OpenAI im November 2022 das Sprachmodell ChatGPT vorstellte. Plötzlich war Künstliche Intelligenz, also AI, in aller Munde. Große Unternehmen und kleine Start-ups waren gleichermaßen interessiert daran, sich eine Adresse mit dem Domain-Namen .ai zu sichern. Und jedes Mal, wenn bei einem Domain-Anbieter eine Internetadresse mit dem Kürzel .ai registriert wird, erhält Anguilla eine Gebühr. Laut "New York Times" kostet eine Registrierung alle zwei Jahre 140 US-Dollar.
Auch Google hat sich die Domain schon gesichert
Besonders beliebte Adressen versteigert Anguilla. "Die Zeit" berichtete darüber, dass die Domain vision.ai für 100.000 Dollar versteigert wurde, für die Adresse dog.ai wurden 50.000 Dollar geboten. Auch Google hat sich schon seine eigene .ai-Domain gesichert, ebenso Elon Musk für sein Sprachmodell Grok.
Die Einnahmen über die Top-Level-Domain machen inzwischen etwa 20 Prozent von Anguillas Staatseinnahmen aus. Auch der Internationale Währungsfonds hat den Boom in der Karibik registriert. "Das spielt eine wichtige Rolle bei der Diversifizierung der Wirtschaft und macht sie widerstandfähiger gegenüber externen Schocks", heißt es in einem Bericht.
Anguillas Premierminister Ellis Webster residiert in der Hauptstadt mit dem schön klingenden Namen The Valley. Webster hat sich mehrfach zum Aufschwung geäußert. "Wir nennen es einfach Gott, der auf uns herablächelt", sagt er gegenüber der "New York Times". Mit den Einnahmen aus der Domain wolle er den Flughafen ausbauen, die Schulen auf der Insel und die Krankenversorgung verbessern.
What's Your Reaction?